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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

33—36. Das menschliche Sprachorgan. 15


zu nennenden glottis spuria). Die Glottis zerfällt wieder in zwei Abschnitte, die Bänderglottis oder die eigentliche Stimmritze, d. h. das Stück zwischen der vordern Insertion im Schildknorpel und den processus vocales, und die Knorpelglottis oder Athemritze, d.h. den Raum zwischen den einander zugekehrten Innenflächen der Stellknorpel. Durch Drehung und Verschiebung der Stellknorpel kann die Gestalt der Stimmritze dergestalt varürt werden, dass entweder beide Theile geöffnet oder beide geschlossen oder nur die Bänderglottis geschlossen ist. Ausserdem können die Stimmbänder durch besondere Muskeln verlängert oder verkürzt und in verschiedenen Graden gespannt werden.

34. Die Stimmritze bildet die erste Einengung, die sich dem aus den Lungen ausgetriebenen Luftstrom entgegenstellt. Unmittelbar über derselben erweitert sich der Kehlkopf rechts und links wieder zu zwei häutigen Taschen (centriculi Morgagni), deren obere Begrenzung abermals durch zwei in den innern Raum vorspringende Bänder von mehr wulstiger Gestalt gegeben wird, die Taschenbänder oder falschen Stimmbänder. Sie unterscheiden sich von den Stimmbändern besonders dadurch, dass sie keinen eigenen Muskel enthalten und dass sie weiter von einander abliegen, also auch nicht zur Schallerzeugung verwandt werden. Den spaltförmigen Zwischenraum zwischen ihnen findet man bisweilen mit dem Namen der falschen Stimmritze (glottis spuria) bezeichnet. Auch er ist wie die Stimmritze, nur nicht in demselben Grade, der Verengerung und Erweiterung, ja selbst des theilweisen Verschlusses fähig.

35. Endlich gehört zum Kehlkopf noch der Kehldeckel (epiglottis), ein platter Knorpel von birnförmiger Gestalt. Mit seiner schmalen Spitze ist derselbe unmittelbar über der vorderen Insertion der Stimmbänder am Schildknorpel angeheftet, der obere, breite Theil ragt dagegen wie eine Klappe über die obere Oeffnung des Kehlkopfs hinaus. Durch einen besondern Muskelapparat kann diese Klappe mehr oder weniger geneigt oder auch vollständig auf die Oeffnung des Kehlkopfs nieder- gedrückt werden.

36. Die oberen Theile des Kehlkopfs, von den Stimmbündern an gerechnet, kann man auch am lebenden Individuum vermittelst des Kehlkopfspiegels untersuchen. Derselbe besteht aus einem kleinen runden oder eckigen Spiegelchen, das an einem Stiele unter einem Winkel von etwa 45° in den über dem Kehlkopf liegenden Theil des Mundraums eingeführt wird. Zur Selbstbeobachtung genügt ausser einem solchen

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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/35&oldid=- (Version vom 23.5.2022)