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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

29—31. Das menschliche Sprachorgan. 13


wieder in das charakteristische Zittern, wenn man die sogenannten tönenden Mediae g, d, b oder sog. weiches s (franz. engl. z) oder franz. engl. v ausspricht. Für die Selbstbeobachtung ist vielleicht das beste Verfahren, sich beide Ohren fest zuzuhalten oder zu verstopfen. Auch der leiseste Klang des Kehlkopfs gibt sich dann als ein ganz charakteristisches lautes Schmettern im Ohre zu erkennen, während die Geräusche der Mundhöhle keine wesentliche Aenderung erfahren. Für die Beobachtung anderer empfiehlt sich die Anwendung eines Kautschukschlauchs, dessen eines Ende in den Gehörgang eingepasst wird, während man das andere, zur Auffangung der Schallwellen mit einem kleinen Glastrichter versehen, vor den Mund (bei Nasalen vor die Nasenöffnung) führt. Man kann dann sehr leicht und deutlich unterscheiden, ob ein beliebiger Laut bloss aus Klängen oder aus Geräuschen oder aus beiden zugleich besteht. Zur Controle der Kehlkopfthätigkeit kann man auch den Trichter, wie beim Auscultiren, luftdicht auf den Kehlkopf aufsetzen (vgl. Brücke, Wiener Sitz.-Ber., mathem.-naturw. Cl. XX VIII, 69 f.).

29. Auch das Ansatzrohr kann zur Erzeugung von Klängen benutzt werden; dies geschieht z. B. beim Pfeifen. Diese Klänge kommen aber in der Sprache nicht zur Verwendung. Für diese ist also die Beschränkung der Thätigkeit des Ansatzrohrs auf die Bildung von eigenen Geräuschen und die Modification der Kehlkopfklänge und -geräusche streng festzuhalten.

30. Was den Bau der einzelnen Theile des Sprachorgans betrifft, so ist ein näheres Eingehen auf den des Respirationsapparats für die Zwecke der Sprachwissenschaft nicht erforderlich (über seine Function wird 60 ff. das Wesentlichste beibringen). Unerlässlich ist dagegen das Studium des Kehlkopfs und insbesondere des Ansatzrohrs. Volle Klarheit kann hier freilich nur die Autopsie bringen, und zumal beim Kehlkopf ist die Betrachtung eines anatomischen Präparats oder guten Modells fast unerlässlich. Eine in’s Einzelne gehende Beschreibung ohne diese Autopsie oder zahlreiche Abbildungen würde dagegen eher verwirrend als aufklärend wirken. Es sollen daher hier nur die hauptsächlichsten Punkte angegeben werden, die für das Verständniss der Lautbildung in Betracht kommen. Wir beginnen mit dem Kehlkopf.

31. Der Kehlkopf (larynx) besteht der Hauptsache nach aus folgenden beweglichen Theilen. Auf der Luftröhre (trachea), welche den Zutritt der Luft zu den Lungen vermittelt, ruht als ihr oberstes abschliessendes Glied und als Träger des ganzen Kehlkopfs der Ringknorpel (cartilago ericoidea). Er hat ungefähr die Gestalt eines Siegelrings, dessen breite, plattenförmige Fläche nach hinten gekehrt ist. Ueber ihm ruht der Schildknorpel (cartilago thyreoidea, der Adamsapfel nach unserer vulgären Bezeichnung). Dieser besteht aus zwei etwa viereckigen Platten, die nach vorne unter einem Winkel an

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/33&oldid=- (Version vom 23.5.2022)