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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

10 16—19. Allgemeine akustische Sätze.


16. Der erste und Hauptunterschied verschiedenen Schalles, den unser Ohr auffindet, ist der Unterschied zwischen Geräuschen und musikalischen Klängen. Die Empfindung eines Klanges wird durch schnelle periodische Bewegungen dertönenden Körper hervorgebracht, die eines Geräusches durch nicht periodische Bewegungen. Unter einer periodischen Bewegung verstehn wir dabei eine solche, welche nach genau gleichen Zeitabschnitten immer in genau derselben Weise wiederkehrt.

17. Geräusche lassen sich nicht weiter akustisch classificiren; dagegen unterscheidet man musikalische Klänge nach ihrer Stärke, ihrer Tonhöhe und ihrer Klangfarbe. Die Stärke wächst und nimmt ab mit der Weite (Amplitude) der Schwingungen des tönenden Körpers, die Tonhöhe mit der Schnelligkeit, mit der die einzelnen Schwingungen auf einander folgen, oder, was dasselbe ist, mit der Anzahl der innerhalb eines bestimmten Zeitraums (einer Secunde) gemachten Schwingungen, der Schwingungszahl. Die Klangfarbe (das Timbre) endlich hängt ab von der Schwingungsform, oder, was auf dasselbe hinauskommt, von der Zusammensetzung des Klanges.

18. Die durch die einfachste Form periodischer Bewegung, d.h. durch einfache Pendelschwingungen hervorgerufene Klangempfindung nennt man einen (einfachen) Ton. Solche einfache Töne geben von den gebräuchlichen musikalischen Instrumenten fast nur die Stimmgabeln. Die meisten übrigen erzeugen nur akustisch complieirtere Gebilde, die sog. Klänge im engeren Sinne. Diese Klänge haben nicht mehr jene ‘einfachen’, sondern ‘zusammengesetzte’ Schwingungsformen, die aber wiederum alle von der Art sind, dass sich eine jede einzelne von ihnen, und zwar wieder immer nur in éiner ganz bestimmten Weise, in eine Reihe einfacher Pendelschwingungen auflösen lässt. Da nun aber jeder einfachen Pendelschwingungsform ein sog. einfacher Ton entspricht, so kann man auch sagen, dass ein jeder ‘Klang’ sich in ganz bestimmter Weise in eine Reihe ‘einfacher Töne’ auflösen lässt oder aus einer Reihe bestimmter einfacher Töne zusammengesetzt ist.

19. Die Töne, aus denen sich diesergestalt ein Klang zusammensetzt, heissen seine Theiltöne (Partialtöne). Besonders charakteristisch für die Reihe der Theiltöne, die in einem Klange auftreten können, ist, dass ihre Schwingungszahlen sich wie die einfachen ganzen Zahlen 1, 2, 3, 4 u. s. w. verhalten.

Den tiefsten Theilton des Klanges (also den mit der relativen

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/30&oldid=- (Version vom 23.5.2022)