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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

232 618—620. Der Satz und seine Glieder.


gelehrten und schulmässigen Vortrag (vor Allem dem durch Anlehnung an die Schrift durch das ‘Wörterlesen’ ruinirten Schulvortrag) eigen ist, die phonetische Gliederung des gesprochenen Satzes meist mächtiger als die etymologisch-logische Gliederung nach Wörtern und Wortgruppen.

617. Für die phonetische Charakteristik des Satzes und seiner Theile kommen aber in erster Linie wieder die drei Variationsmittel: Abstufung nach Stärke, Tonhöhe und Dauer in Betracht. Wir haben danach getrennt zunächst den exspiratorischen oder dynamischen Satzaccent (Stärkeabstufung der Sätze und Satztheile), dann den musikalischen oder tonischen Satzaccent (die Tonhöhenabstufung der Sätze und Satztheile, wobei anhangsweise die verschiedenen Stimmqualitäten zur Sprache kommen) zu behandeln; die Besprechung der Abstufung der Dauer der Satzglieder bleibt dem Abschnitt ‘Quantität’ aufbehalten.

Cap. 32. Der exspiratorische oder dynamische Satzaccent.
1. Der Satz und seine Glieder.

618. Satz und Silbe. Ein gesprochener längerer Satz stellt sich (wenn wir vom Inhalt absehen) dem Gehör zunächst dar als eine in gewissem Sinne rhythmisch gegliederte Reihe von Schällen. Aus dieser sondert das Ohr weiterhin eine je nach der Länge des Satzes grössere oder geringere Anzahl von Theilstücken aus, die wir als Silben bezeichnen und deren Bau und wesentlichsten Eigenschaften wir 515 ff. kennen gelernt haben.

619. Da die Silbenbildung ganz bestimmten Gesetzen unterliegt, so ist im Grossen und Ganzen die Silbeneintheilung und Silbenzahl eines Satzes für das Ohr ohne Schwierigkeiten zu bestimmen. Niemand zweifelt z. B., dass ein Satz wie kommst du? zweisilbig, ein Satz wie kommst du mit? dreisilbig, ein Satz wie gib mir das Buch her fünfsilbig ist, u.s.w. Dass auch einsilbige Sätze, wie komm!, geh!, ja, nein u. dgl., vorkommen ist bereits oben 612 bemerkt worden.

620. Silben und Sprechtakte. Ueber dieser Gliederung des Satzes in Silben steht aber noch eine Gliederung höherer Ordnung, durch die der Satz erst den ihm anhaftenden rhythmischen Charakter bekommt. Die einzelnen Silben eines mehrsilbigen Satzes pflegen nämlich nicht gleichwerthig zu

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 232. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/252&oldid=- (Version vom 6.7.2023)