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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

222 588. Der Stosston. 589—591. Druckabstufung d. Silbenschlusses.


hüte sich übrigens den Stosston zu verwechseln mit dem festen Uebergang von Vocalen zu Verschlusslauten mit Glottisschluss, wie arm. , , . In arm. ak͗, ap͗ ete. wird zwar der Sonant gleichzeitig mit dem Verschluss auch noch durch den Glottisschluss abgeschnitten, aber die Explosion der Glottis fällt nicht mehr derselben Silbe zu. Man kann auch aʾk, aʾp etc. mit wirklichem Stosston sprechen, dann muss aber eben der Glottisschluss vor den Mundverschluss fallen.

588. Es versteht sich von selbst, dass der sog. Stosston nur rücksichtlich der durch dem Glottisschluss bedingten Spaltung der Silbe in zwei Theile als besondere Form des ‘Silbenaccents’ aufzufassen ist. Bezüglich des Glottisschlusses selbst fällt er unter die Lehre von den Lautabsätzen bez. -übergängen und ist als solcher an betreffender Stelle bereits behandelt. Auch für den, welcher den Glottisschluss als besondern Consonanten betrachtet, bleibt immerhin jene Spaltung als Charakteristicum der Silbe bestehen.

2. Die Druckabstufung des Silbenschlusses.

589. Für den Gesammthabitus einer Silbe ist die Druckabstufung des Silbenschlusses von grosser Bedeutung, d. h. die Art wie oder unter welchen Druckverhältnissen die Silbe vom Silbengipfel ab ihr Ende erreicht, oder, wie man sich auch ausdrückt, ‘abgeschnitten’ wird.

590. In dem nhd. kurzen energisch (gebieterisch) gesprochenen dă! bricht der Vocal, der eben noch in voller Stärke ertönte, plötzlich ab, in dem langen verklingt er mehr allmählich. Bei dă! haben wir also ein so jähes Decrescendo vom Silbengipfel ab, dass eine Abnahme der Stärke innerhalb des Sonanten kaum oder gar nicht wahrnehmbar ist: grösste Stärke und Null liegen hart und scheinbar unvermittelt neben einander; bei hört man dagegen das stufenweise Decrescendo innerhalb des Sonanten gut und deutlich, und zwar um so besser, je mehr man den Sonanten dehnt.

591. Denselben Unterschied kann man auch in geschlossenen Silben beobachten, in denen dem Sonanten sich noch ein oder mehrere Consonanten anschliessen; man vgl. z. B. nhd. Parallelen wie vŏll: wōl, kămm: kām, făss: lās, hăt: rāt, sŏllt: hōlt u. dgl. (die kurzvocaligen Wörter sind kurz und energisch, eingipflig, gesprochen zu denken). Hier wird der Sonant bei den kurzyocaligen Wörtern (voll, kamm, fass, hat, sollt etc.) durch den folgenden Consonanten in einem Moment abgelöst, wo er noch voll und kräftig ertönt (unmittelbar hinter dem Silbengipfel), der jähe Absturz der Exspiration fällt in den


Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 222. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/242&oldid=- (Version vom 19.7.2022)