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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

585—587. Der Stosston. 221


manchen thüringischen Mundarten Bildungen wie fū-ᵊs, gū-ᵊt aus fū̃s, gū̃t oder schwäbisch fū-ᵊs, gū-ᵊt aus ursprünglich diphthongischem fũes, gũet.

Anhangsweise ist endlich hier noch eine Art der Silbenbildung zu besprechen, die man gewöhnlich unter den ‘Accenten’ aufzuzählen pflegt. Es ist dies der sogen. ‘Stosston’.

c. Der ‘Stosston’.

585. Derselbe findet sich z. B. im Lettischen und Dänischen in weiter Verbreitung (zuerst wurde er in der letzteren Sprache von Höysgaard beobachtet). Es ist schwer, durch blosse Beschreibung eine deutliche Vorstellung von demselben zu geben. Die Hauptsache ist dabei, dass inmitten der Silbe ein ganz momentaner, fester Verschluss der Stimmritze gebildet wird (vgl. 608). Die Silbe zerfällt dadurch in zwei Theile, die sich den beiden Gipfeln des gewöhnlichen zweigipfligen Accents vergleichen lassen, nur dass hier durch den Glottisschluss getrennt ist, was dort durch continuirliche Uebergänge verbunden war. Wir bezeichnen den Stosston mit ʾ, dem Zeichen des Glottisschlusses, nach dem Sonanten, also , u.s.w.

586. Der Stosston kann sowohl lange wie kurze Vocale treffen. Ist der Vocal nach dem Ende zu isolirt, so äussert sich im Dänischen wenigstens der zweite Exspirationshub in einem dem Vocal nachstürzenden stimmlosen oder doch nur unvollkommen stimmhaften Hauch von grösserer oder geringerer Stärke, vgl. z. B. dän. påʾ, fæʾ, tiʾ u. dgl. Nach langem Vocal wird ein folgender Consonant mit dem Exspirationsstoss des zweiten Gipfels hervorgebracht. Folgt aber auf einen kurzen Vocal ein stimmhafter Dauerlaut, so fällt der ‘Stoss’ (d.h. der Glottisschluss) in diesen, nicht in den Vocal, vgl. etwa die dän. åʾnd, viʾld; die genauere Beschreibung s. 608.

587. Streng genommen haben wir es übrigens hier stets mit einer Verbindung einer ‘Vollsilbe’ mit einer ‘Nebensilbe’ in dem 534 festgestellten Sinne zu thun, da der Glottisschluss die Schallbildung völlig hemmt, also eine Schallgrenze bedingt. Indess ist doch der Gesammteindruck ein sehr einheitlicher, daher man denn wohl ‘Silben’ mit Stosston als Analoga der zweigipfligen Silben betrachten darf, nur dass bei ihnen der Nebengipfel in erster Linie ein Schallgipfel, nicht ein Exspirationsgipfel ist: in erster Linie, weil es mindestens zweifelhaft ist, ob nicht der | Luftstauung, die der plötzliche Kehlkopfschluss zur Folge hat, durch einen besonderen kleinen Nebenexspirationsstoss ein Ende bereitet wird. — Man

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 221. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/241&oldid=- (Version vom 19.7.2022)