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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

4 6. 7. Stellung, Aufgabe und Methode der Phonetik.


physikalischen Forschungen folgen wollen oder können. Gesetzt aber auch, es gelänge einem Einzelnen, alle die Kenntnisse zu vereinigen, deren eine allseitige Darstellung der Phonetik be- darf, und diese in einem Lehrbuch der allgemeinen Phonetik niederzulegen, so würde ein solches Werk doch wieder nicht den Bedürfnissen des Lernenden entsprechen können, der doch zunächst wohl stets nur mit einem einseitigen Interesse an die Phonetik herantritt und demgemäss auch nur der einen oder anderen Seite derselben, nicht allen, ein Verständniss entgegen bringt.

6. Solchen Erwägungen gegenüber erscheint es angezeigt, den Gedanken an eine Allgemeindarstellung der Phonetik überhaupt fallen zu lassen zu Gunsten von Einzeldarstellungen, welche, von dem Allgemeinen nur das Nothwendigste in Kürze berührend, den besonderen Bedürfnissen der verschiedenen Interessenkreise um so grössere Aufmerksamkeit widmen. Einem solchen Sonderinteresse will denn auch beispielsweise das vorliegende Werk dienen. Es ist zunächst geschrieben zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen älterer Zeit, etwa in dem Umfange, wie sie in der »Bibliothek indogermanischer Grammatiken« vertreten sind; und es versucht dieser Aufgabe gerecht zu werden, indem es sich bestrebt an der Hand ausgewählter Beispiele über eine Reihe von phonetischen Fragen zu orientiren, welche für das Verständniss indogermanischer Lautentwicklung in Betracht kommen. Was sonst zur Vervollständigung des Materials etwa beigebracht ist, will und soll also nur als gelegentliche Ergänzung dienen, die das Buch, soweit das dem Verfasser möglich war, auch dem Nichtindogermanisten bei sprachgeschichtlichen Arbeiten verwerthbar machen hilft. Es ist also bei dieser Betonung des sprachgeschichtlichen Momentes selbstverständlich, dass das Buch sich weder an naturwissenschaftliche Leser wendet, noch den Bedürfnissen der neueren Philologie und speciell des Unterrichts in den neueren Sprachen anders als gelegentlich insoweit Rechnung tragen kann und will, als diese Bedürfnisse sich mit denen des Sprachhistorikers berühren.

7. Es liegt in der Natur der Sache begründet, dass für alle phonetische Ausbildung ein gewisses Quantum von mündlicher Ueberlieferung unerlässlich ist. Eine blosse Beschreibung wird nie im Stande sein, diejenigen Feinheiten der Lautgebung klarzulegen, welche den eigenthümlichen Charakter einer Sprache oder Mundart und damit auch oft die specielle

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/24&oldid=- (Version vom 23.5.2022)