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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

578—579. Eingipflige Silben. 580. Zweigipflige Silben. 219


a. Eingipflige Silben.

578. Enthült eine Silbe bei ganz continuirlicher Abstufung der Druckstärke nur &inen solchen Gipfel, so bezeichnen wir sie als eingipflig; z. B. continuirlich absteigend, wie in al>, oder continuirlich aufsteigend, wie in la<. ‚ oder continuirlich aufund absteigend wie in l<al>.

579. Eingipflig in diesem Sinne sind z. B. Silben, wie man sie im Bühnendeutschen und in vielen deutschen Mundarten in beliebigen Wörtern wie Knappe, hatte, Wasser, halte, Knabe, Bote, losen, holte etc. etc. allgemein zu sprechen pflegt. In ihnen hat der Stromdruck schon zu Anfang des (sonantischen) Vocals seine grösste Stärke; dieser Stärkegrad kann dann entweder durch den Vocal hin festgehalten werden, oder er wird gleichmässig, wenn auch zum Theil nur sehr wenig, verringert. In dem Vocal selbst ist in Folge dessen keine Spur von Discontinuität zu entdecken (auch nicht in Bezug auf den musikalischen Ton, der entweder eben oder einfach steigend oder einfach fallend ist, s. unten 601). Folgen innerhalb desselben Druckstosses dem Sonanten noch Consonanten, so nehmen diese an dem allgemeinen Absteigen der Druckstärke theil.

b. Zweigipflige Silben.

580. Neben den eingipfligen Silben findet sich in vielen Sprachen noch eine andere Art von Silben, die man als zweigipflig bezeichnen kann. Gilt auch für alle Silben im Allgemeinen das Gesetz von der Continuirlichkeit der Druckabstufung, so finden sich doch namentlich bei einer im Allgemeinen absteigenden Druckstärke häufig geringe Verstärkungen hinter dem eigentlichen Silbengipfel, die für unser Gefühl zu schwach sind, als dass sie als Einsätze zu neuen, selbständigen Drucksilben betrachtet werden können (dies ist namentlich da der Fall, wo die Verstärkung noch in den Sonanten fällt. Man kann diese Verstärkungen wohl als Nebengipfel bezeichnen, im Gegensatz zu dem eigentlichen oder Hauptgipfel der Silbe, d.h. dem Moment stärksten Drucks innerhalb der ganzen Silbe. Wir deuten diese Art der Silbenbildung (den zweigipfligen Silbenaccent) durch ˜ über demjenigen Laut oder denjenigen Lauten an, in welche die beiden Gipfel entfallen (vgl. 583), z. B. ã, ãu etc.

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 219. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/239&oldid=- (Version vom 16.7.2022)