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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

566. 567. Druckgrenze im Cons. (Gem.). 568. Accent und Quantität. 215


des einfachen Lauts, weil die Geminata doch in zwei auch für das Gehör trennbare Theile zerfallen muss.

566. Wenn man also auch zugeben darf, dass die Geminaten an sich zugleich auch schon bis zu einem gewissen Grade ‘lang’ sind, so kann doch nicht streng genug vor dem viel verbreiteten Irrthum gewarnt werden, als ob die Geminaten nun auch bloss ‘lange Consonanten’ oder alle ‘langen Consonanten’ gleich Geminaten wären. Zur Gemination gehört eben als wesentlichstes Moment die Discontinuität der Druckstärke innerhalb des Consonanten: lange Consonanten können aber auch ebenso gut bei continuirlicher Druckstärke gebildet und beliebig lange ausgehalten werden.

567. Wie wenig Consonantenquantität und Silbentrennung bez. Gemination mit einander zu thun haben, lässt sich aus den thatsächlichen Verhältnissen mancher Sprachen leicht zeigen. Ein Livländer, der neben Deutsch auch Esthnisch spricht, unterscheidet principiell (d. h. je nach der Sprache, die er redet und je nach der Bedeutung) folgende fünf verschiedene Aussprachsformen der Lautfolge ĕ, m, a: ĕ-m̆a, ĕ-m̄a, ĕm̆̍a, ĕm̄̍a, em-ma: er hat also zwei Bindeformen für kurzes m (ĕ-m̆a und ĕm̆̍a), zwei für einfaches langes m (ĕ-m̄a und ĕm̄̍a und die Gemination (em-ma).

III. Accent und Quantität.
Cap. 28. Allgemeines.

568. Dani eine Reihe von Lauten als Silbe, eine Reihe von Silben als Wort (oder Sprechtakt, s. 620 ff.), eine Reihe von Wörtern (oder Sprechtakten) als Satz empfunden werde, ist es nothwendig, dass die Glieder der einzelnen Reihe einerseits durch ein gemeinsames rhythmisch-melodisches Band zusammengehalten werden, andererseits in einem bestimmten Ueber- und Unterordnungsverhältniss zu einander stehen. Diesen Bedingungen wird genügt durch die planmässige Abstufung der einzelnen Glieder nach Stärke und Dauer einerund nach der Tonhöhe andererseits. Nach dem Verhältniss von Stärke und Dauer bestimmt sich im Wesentlichen das rhythmische, nach der Tonhöhe das melodische Element der Bindung.

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 215. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/235&oldid=- (Version vom 16.7.2022)