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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

214 561-565. Druckgrenze im Consonanten (Gemination).


561. Sogar für den letztgenannten Fall lassen sich auch aus dem Deutschen Beispiele bei Composition beibringen; man unterscheidet wenigstens bei langsamer deutlicher Aussprache gibt Trost von gib Trost; ähnlich vgl. Lärm machen und lärme, Moos-sitz und Mässe u. dgl. Nur pflegt man hier nicht an Gemination zu denken, weil man die einzelnen Wörter begrifflich von einander zu trennen gewohnt ist. — Dass uns die Gemination nach Längen oder Diphthongen schwieriger zu bilden scheint als nach Kürzen, liegt daran, dass wir diese Laute und Lautfolgen mit abnehmendem Druck (s. oben 544) zu sprechen gewöhnt sind; dass sie aber auch uns nicht unmöglich ist, zeigen Fälle wie noth thun u, dgl. In geläufigerer Rede lassen wir indess auch bei der Composition fast überall die Gemination fallen, sprechen also giptrō̍st, lä́r̄maxn , mṑsits, nṑtūn us. w.

562. Ueber die Zusammenhänge zwischen Silbentrennung und exspiratorischem Silbenaccent s. Cap. 29.

563. Analog der Gemination sind endlich noch die Verbindungen eines stimmhaften Lauts mit dem entsprechenden stimmlosen. Bei diesen setzt die Stimme in der Silbengrenze ein bez. aus, die übrigen Articulationen werden gemeinschaftlich ausgeführt. So spricht man wohl in Norddeutschland hat dich, lass sie mit stimmhaftem d und z oder mit umgekehrter Lautfolge in England had to do, has seen. Sehr gewöhnlich aber treten in diesen Fällen Assimilationen ein, sodass vollkommen stimmlose oder stimmhafte Geminaten entstehen. Die Ausdehnung der Assimilationen unterliegt in den einzelnen Sprachen wieder besonderen Gesetzen.

564. Nur selten habe ich gefunden, dass bei der Composition zweier gleicher Verschlusslaute wirklich doppelte Explosion angewandt wird (nimmt-Theil, hat-dich), und ich glaube diese Aussprache auf den Einfluss des Schulunterrichts zurückführen zu sollen. Abgesehn von individuellen Gewohnheiten, scheint sie z. B. in Ostpreussen allgemeiner üblich zu sein. Für das Sanskrit und Griechische galt sicher die Gemination mit nur einer Explosion; denn Aspiraten können nicht verdoppelt werden (im Skr. gilt nur kkh, tth, pph, im Griech. nur κχ, τθ, πφ), eben weil der Hauch in der Verschlusspause zu Grunde gehn muss. Für das Indogermanische aber ist (wie Heinzel, Gesch. der niederfränk. Geschüftssprache S. 128 bemerkte) wirklich doppelte Explosion anzusetzen, da an Stelle von tt etc. in einigen Sprachen st, ss tritt.

565. Mit der Quantität der überleitenden Consonanten hat die Gemination wenig zu schaffen. Auch in Gruppen wie as̍>o und a>-so< kann z. B. das s beliebig gedehnt werden, ohne dass man die Druckgrenze verrückt oder überhaupt eine Druckgrenze einführt. Nur versteht sich von selbst, dass die Minimaldauer der Geminata länger sein muss, als die Minimaldauer

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 214. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/234&oldid=- (Version vom 16.7.2022)