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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

560. Druckgrenze im Consonanten (Gemination). 213


stimmlosen Verschlusslauten dagegen kann man den Bruch in der Exspiration nur fühlen oder durch einen empfindlichen Druckmesser demonstriren. Doch ist der Klang auch der stimmlosen geminirten Verschlusslaute bei etwas genauerem Aufmerken von dem der nicht geminirten zu unterscheiden. Bei einer Lautfolge wie ap>a ohne Druckgrenze dominirt der Verschlussact (genauer gesagt der Gleitlaut zur Verschlussstellung hin) über den Oeffnungsact (den Explosionsknall), weil er mit stärkerem Druck gebildet wird. Der Verschlusslaut wirkt also hier vorzugsweise durch Verschlussact und hat daher für das Ohr wesentlich sog. ocelusiven Charakter, selbst wenn man die Pause erheblich dehnt. Bei der Folge a>-pa< dagegen kommt der Verschlussact kaum in Betracht, weil er zeitlich mit der Druckgrenze zusammenfällt, also bei minimaler Druckstärke vor sich geht: das p ist deshalb hier wesentlich explosiv, und zwar wird auch hier der Charakter des Verschlusslauts durch eine Dehnung der Pause nicht verändert. Man kann das namentlich gut beobachten, wenn man die zweite Silbe stärker spricht als die erste. Bei der Geminata in ap>-pa< endlich fällt der Verschlussact noch in den starken Theil des ersten Exspirationsstosses und macht sich demnach auch für das Gehör durch die Stärke des Gleitlauts bemerkbar, nicht minder tritt aber auch die mit dem neuen Stosse. hervorgerufene Explosion kräftig und selbständig auf. Es ist also weder der Explosions- laut dem Verschlussgleitlaut untergeordnet, wie bei ap>a, noch

der Verschlussgleitlaut dem Explosionslaut, wie bei a>-pa<, sondern beide sind coordinirt und werden, zumal bei der etwas längeren Dauer der Pause (vgl. oben) als coordinirt empfunden (Verschlussgeminaten sind also für das Ohr deutlich occlusivexplosiv).

560. Die Natur des der Geminata vorausgehenden Lautes ist im Allgemeinen gleichgültig; nur muss derselbe im Moment der Verschluss- oder Engenbildung noch mit kräftigem Druck gebildet werden, damit, vor Verschlusslauten, der Gleitlaut deutlich ins Gehör fällt, bei Dauerlauten aber die Druckstärke nach der Druckgrenze hin noch deutlich vermindert werden kann. Aus diesem Grunde sind kurze Vocale als Vorläufer von Geminaten am geeignetsten, Verschlusslaute am ungeeignetsten, weil hier das kurze Explosionsgeräusch selbst noch durch einen raschen Uebergang hörbar abgeschnitten werden muss.

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 213. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/233&oldid=- (Version vom 16.7.2022)