Seite:Eduard Sievers - Grundzüge der Phonetik - 1901.djvu/230

Diese Seite wurde noch nicht korrekturgelesen. Allgemeine Hinweise dazu findest du auf dieser Seite.
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

210 550—552. Druckgrenze vor, nach und im Consonanten.


eine Druckgrenze anzubringen, also entweder fa-se, ka-mer, a-le abzutheilen oder zu geminiren (s. 555 ff.).

550. Die (exspiratorische) Silbentrennung durch Druckgrenzen ist, im Gegensatz zu der Silbentrennung durch Schallgrenzen, frei, d. h. nicht an bestimmte Lautfolgen gebunden, und während die selbständige Schallgrenze stets innerhalb des Durchgangslautes geringster Schallfülle liegt, kann eine Druckgrenze je nach Belieben vor, nach oder in dem (oder einem) Consonanten angebracht werden, der zwischen den beiden benachbarten Sonanten steht.

a. Druckgrenze vor und nach dem Consonanten.

551. Wenn nur &in Consonant oder eine (nach 527) im Silbenanlaut mögliche Consonantgruppe (z. B. Muta cum Liquida) die Nachbarconsonanten trennt, so wird in vielen Sprachen der Consonant exspiratorisch regelmässig zur zweiten Silbe gezogen, z. B. im Französischen, Spanischen, Neugriechischen und den slavischen Sprachen, auch mehr oder weniger in manchen deutschen, speciell schweizerischen Mundarten. Im Bühnendeutschen, im Englischen etc. geschieht dies dagegen meist nur in zwei Fällen, nämlich beim Uebergang von einer schwächeren auf eine stärkere Silbe (be-fin-den, ge-la-den, engl. a-lone, a-ppear etc.), oder, bei umgekehrtem Verhältniss der Stärke nach langem Vocal: bo-te, ha-be, see-le, lo-se, engl. ha-ting, lo-sing, sea-ling etc. Ebenso spricht aber der Schweizer auch lĕ-se, gĕ-be u. dgl., der Spanier că-za, lĕ-tra, der Russe vŏ-du, ŭ-gol, gŏ-rod etc. Den Deutschen und Engländern wird die Erlernung dieser Art der Silbentrennung nach kurzem Vocal meist sehr schwer, da sie die Neigung haben, in solchen Fällen entweder gar keine Druckgrenze eintreten zu lassen, wie oben 549 ausgeführt ist, sondern lĕs̍ᵊ, gĕb̍ᵊ, căz̍a, gŏr̍od etc. (mit Verschärfung des Consonanten, vgl. 560) zu sprechen, oder aber, bei Consonantgruppen, in der Mitte abzutheilen, also let-ra u. s. w.

552. Seltener findet sich bei einfachem Trennungsconsonanten die Druckgrenze nach demselben. Doch ziehen wir z. B. im Deutschen einen einfachen Oonsonanten öfter da allein zur vorausgehenden Silbe, wo wir consonantisch ausgehende Endsilben mit vocalisch anlautenden Folgesilben combiniren, z. B. war-er, hat-er u. dgl. Die beiden Sätze hat ér’s gethan? und hat dér’s gethan? unterscheiden wir z. B. so oft

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 210. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/230&oldid=- (Version vom 14.7.2022)