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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

546—549. Schall- und Druckgrenzen der Silben. 209


Cap. 27. Die Silbentrennung.

546. Für die Silbentrennung existirt ebensowenig ein einheitliches Princip wie für die Silbenbildung, vielmehr sind wie dort Schallsilben und (Exspirations- oder) Drucksilben, so hier Schallgrenzen und (Exspirationsgrenzen oder) Druckgrenzen zu unterscheiden.

547. Der Name Schallgrenze ist lediglich im Anschluss an den Namen Schallsilbe gewählt und soll demnach nur diejenigen nothwendigen Silbengrenzen bezeichnen, welche von der Abstufung der natürlichen Schallfülle abhängen, nicht aber auch die auf willkürlicher Herabsetzung der Schallstärke durch Minderung des Stromdrucks beruhenden.


548. Eine Schallgrenze ist nothwendigerweise überall da vorhanden, wo bei continuirlicher Druckstärke ein Durchgang durch einen Laut geringerer Schallfülle stattfindet. Lautfolgen wie aia, ala etc. sind, wie 522 gezeigt wurde, stets mindestens zweisilbig, auch wenn keine Discontinuität der Druckstärke besteht; die Grenze liegt hier in dem weniger schallvollen Durchgangslaut i bez. l. Wir bezeichnen die Schallgrenze durch ein Spaltungszeichen über dem betreffenden Laut, also ai̇̍a, al̍a; die Druckgrenze deuten wir durch zwischen den Silben an.

549. Im Allgemeinen werden blosse Schallgrenzen, wie es scheint, nur da angewandt, wo nur ein Consonant zwischen zwei Sonanten steht, deren erster stark betont und kurz ist. So sprechen wir im Bühnendeutschen z. B. zweisilbige Wörter mit kurzem Vocal in der ersten Silbe und einfachem, starkem Consonanten dahinter, also etwa Wörter wie fasse, Kammer, alle; ebenso im Englischen, vgl. etwa hissing, hammer, hilly. Hier liegt zweifelsohne die Silbengrenze in dem Consonanten, aber derselbe scheint trotzdem gleichmässig zu beiden Silben zu gehören, weil innerhalb desselben keine Discontinuität der Druckstärke eintritt. Diese Wörter sind demnach bei genauerer Transseription als fas̍ᵊ, kam̍ᵊr, al̍ᵊ u. s.w. zu bezeichnen. Sie sind exspiratorisch einsilbig, enthalten aber zwei Schallsilben. Diese Art der Verbindung zweier Silben wird meist nur mit grosser Mühe von denen erlernt, welche an exspiratorische Trennung aller Nachbarsilben gewöhnt sind. Der Romane, Slave, Grieche etc. wird z. B. stets geneigt sein, in solchen Fällen vor oder in dem Consonanten

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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 209. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/229&oldid=- (Version vom 14.7.2022)