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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

538—540. Die relative Druckstärke der Silbenglieder. 207


und vollständig gehemmt werden kann, dass ein jenem Eingangsstoss an Plützlichkeit entsprechendes Ende der Exspiration erzielt wird. Der einzelne Exspirationsstoss hat demnach gewôhnlich entweder nur einen deutlichen DecrescendoAusgang oder zugleich einen deutlichen Crescendo-Eingang und Decrescendo-Ausgang, zeigt also entweder die Form (=)> oder <(=)>, wobei = die Zeit andeuten möge, während welcher der Druck eventuell gleich bleibt (vgl. 519).

538. Die Drucksilbe umfasst hiernach in der Regel Momente verschiedener Druckstärke, und diesen entsprechen lediglich daraus resultirende (und also von der Schallfülle unabhängige) Abstufungen in der Schallstärke der Sprachlaute, welche während dieser Momente gebildet werden. Wir künnen diese Stärkeabstufungen der Laute einer Drucksilbe als die relative Druckstärke der Silbenglieder bezeichnen.

539. Betrachten wir das Verhältniss der einzelnen Silbenglieder zu der wechselnden Druckstärke der Silbe, so ergibt sich, dass in der Regel der Sonant der Silbe den Moment grüssten Drucks in sich schliesst oder dass er doch mindestens an diesem stärksten Druckgrad der Silbe participirt, dass er also, auch abgesehn von der Frage der Schallfülle, die grüsste relative Druckstärke besitzt, und dass umgekehrt die ihn begleitenden Consonanten auch an Druckstärke hinter ihm zurückzustehn pflegen. Bei Verbindungen von Lauten gleicher oder nahezu gleicher Schallfülle hängt es daher wesentlich von der relativen Druckstärke ab, ob der eine oder der andere Sonant bez. Consonant der Silbe wird. Das lässt sich namentlich leicht an den Verbindungen zweier Vocale illustriren. Uns gelten z. B. ui>, iu>, d. h. starkes u + schwächeres + bez. starkes i + schwächeres u als ‘fallende Diphthonge’, aber ui<, iu< mit umgekehrtem Stäürkeverhältniss als ‘steigende Diphthonge’ (412), d. h. im ersten Falle ist das erste Glied silbisch, das zweite unsilbisch, im zweiten Falle ist bei gleicher Lautfolge das erste Glied unsilbisch, weil es die geringere Druckstärke hat.

540. Nicht alle Lautfolgen lassen sich (vgl. 518) so ohne Weiteres umkehren wie die eben angeführten. Folgen wie al>, la< klingen uns gut einsilbig, weil die Abstufang der Druckstärke der Abstufung der Schallfülle parallel geht; al<, la> dagegen fassen wir eher als zweisilbig auf, weil die Schalfille des a die des l so überwiegt, dass es trotz seiner geringeren Druckstärke neben dem stärkeren l als silbisch empfunden wird. Eher noch künnen Gruppen wie as<, welche einen stimmlosen Laut an

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 207. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/227&oldid=- (Version vom 27.6.2022)