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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

524—526. Der Bau der Silbe und die Schallfülle ihrer Glieder. 203


Ausflussüffnung dadurch bei jedem Schlag verengert wird. Das Resultat ist: Verdumpfung und Dämpfung des Klanges während die Hand den Mund schliesst, und umgekehrt in den Momenten, wo die Hand sich vom Munde entfernt. Der Gesammteffect kommt etwa der Silbenfolge wawawa... gleich. Dass bei diesem Experiment der Vocal a auch in qualitativ verschiedene Stücke zerfällt wird, verschlägt nichts für die Hauptfrage.

524. Schallsilben und Drucksilben künnen sich begreiflicherweise decken, müssen es aber nicht, und zwar künnen sowohl Lautfolgen, welche an sich eine Schallsilbe bilden künnen, exspiratorisch in getrennte Silben zerlegt werden (vgl. z. B. zweisilbiges a-i mit dem Diphthongen ai) als umgekehrt Lautfolgen mit emheitlicher Exspiration hervorgebracht werden, die nach der Abstufung der Schallfülle in mehrere Schallsilben zerfallen müssen (vgl. besonders Cap. 27). Ferner kann, wie schon 518 bemerkt wurde, die Abstufung der Druckstärke in der Silbe mit der Abstufung der Schallfülle parallel gehen (sodass der schallvollste Laut der Silbe zugleich mit stärkstem Stromdruck, und die weniger schallvollen Laute mit entsprechend vermindertem Druck hervorgebracht werden) oder sie kann ihr entgegenwirken. Im Allgemeinen pflegt das erstere der Fall zu sein.

525. Schallsilben wie Exspirationssilben künnen sowohl einlautig als mehrlautig sein. In der mehrlautigen Silbe aber muss nothwendig eine Abstufung der Schallstärke stattfinden, indem alle übrigen Laute der Silbe einem einzigen Laute untergeordnet werden. Dieser die Silbe beherrschende Laut heisst der Sonant der Silbe (ist silbisch), die übrigen heissen die Consonanten der Silbe (sind unsilbisch, vgl. 109 ff.). Für diese Abstufung der Schallstärke innerhalb der Silbe ist nach 518 in erster Linie die Schallfülle der einzelnen Laute massgebend, erst in zweiter die Druckstärke.

Hieraus lassen sich bereits die wesentlichsten Gesetze für den Bau der Einzelsilben ableiten.

526. Die Fähigkeit, Sonant zu werden, hängt bei jedem Laute zunächst von seiner Schallfülle ab. Beim Zusammentreffen mehrerer Laute muss also jedesmal derjenige zum Sonanten werden, welcher an und für sich die grüsste Schallfülle besitzt. Nur Laute, welche auf gleicher oder nahezu gleicher Stufe der Schallfülle stehen, künnen neben einander abwechselnd Sonanten oder Consonanten sein. In diesem Falle gibt die jeweilige Druckstärke statt der natürlichen Schallfülle den Ausschlag (518).

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 203. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/223&oldid=- (Version vom 27.6.2022)