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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

520. 521. Der Bau der Silbe im Allgemeinen. 201


wie etwa eine Reihe von a, die mit vollständig getrennten Druckstüssen (60) und jedesmaligem Aussetzen der Stimme gebildet werden. Jede neue Verstärkung des Drucks nach vorhergegangener Verminderung ruft den Eindruck einer neuen Silbe hervor, und die Grenzen der einzelnen Silben liegen allemal in den Momenten geringster Druckstürke.

520. Ebenso kann man auch einer aus verschiedenen Lauten zusammengesetzten Reihe, wie beispielsweise der Folge aia durch willkürliche Verschiebung der Druckstärke bis zu einem gewissen Grade willkürlich verschiedene Silbenwerthe geben. Wie bereits 414 gezeigt wurde, kann man diese Gruppe, und zwar auch ohne Aussetzen der Stimme, willkürlich entweder in drei Silben zerlegen, a-i-a, oder in zwei, und in diesem letzteren Fall entweder als a-a sprechen, indem man das i mit dem ersten a zu dem fallenden Diphthong ai̯ (412) verbindet, oder als a-i̯a, indem man das i als unsilbischen Anlaut zur folgenden Silbe zieht, oder endlich als ai̯-i̯a, indem man das i länger aushält, aber gleichzeitig auf beide Silben vertheilt. Diese Spaltung des i geschieht ebenso wie oben beim a, indem man innerhalb des i den Stromdruck zunächst schwächt und dann wieder wachsen lässt, sodass nun der erste Theïl des i mit abnehmender, der zweite mit zunehmender Druckstärke (und damit auch hier wieder Schallstärke überhaupt) gesprochen wird. Aehnlich ist es bei ai̯-a und a-i̯a. Im ersten Falle schwächen wir die Druckstärke und damit die Stimme nach dem Schluss des i hin, im zweiten Falle nach dem Schluss des ersten a hin. Beim dreisilbigen a-i-a aber schwächen und verstärken wir zweimal, zwischen a und i und wieder zwischen i und a. Die Grenzen liegen auch hier wieder überall in den Momenten schwächsten Druckes.

521. In allen diesen Füllen wird also als éine Silbe empfunden, was mit einem selbständigen und zugleich continuirlichen Druckstoss hervorgebracht wird. Als continuirlich ist dabei nach 519 f. ein jeder Druckstoss zu betrachten, der nicht durch Abnahme und erneute Verstärkung des Stromdrucks (bez. durch den Durchgang durch ein Druckminimum) auch für unser Gefühl in getrennte Theilstôsse zerlegt wird (Weiteres dazu s. 537 ff. 580 ff.) Sofern nun weiterhin diesergestalt das Mass einer Silbe durch die Exspiration bez. durch die besondere Art der Druckregelung des arbeitenden Luftstroms bedingt wird, kann man eine so begrenzte

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 201. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/221&oldid=- (Version vom 27.6.2022)