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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

518. Der Bau der Silbe im Allgemeinen. 199


sind aber sehr verschiedener Art, je nach dem Grunde, welcher die einzelne Abstufung der Lautheit für das Ohr hervorruft. Danach sind folgende Arten von Abstufungen zu unterscheiden.

1) Primäre oder willkürliche Abstufungen. Diese beruhen auf einem Wechsel des Stromdrucks oderder Druckstärke, mit der die einzelnen Laute hervorgebracht werden, und sind willkürlich, weil man ja jeden einzelnen Laut nach Belieben lauter und leiser, d. h. mit grösserer oder geringerer Druckstärke, sprechen kann.

2) Secundäre oder unwillkürliche Abstufungen. Diese sind von der Druckstärke unabhängig und können daher auch nicht wie diese nach freiem Belieben wechseln. Sie sind vielmehr fest an die specifische Art der Schallbildung des einzelnen Lautes gebunden und von dieser abhängig. Innerhalb dieser Gruppe sind wieder zwei Richtungen der Abstufung zu unterscheiden:

a) Abstufung nach der Schallart. Hier kommt namentlich der Gegensatz zwischen musikalischem Klang (bez. Stimme) und blossem Geräusch (16) in Betracht. Im Allgemeinen wird nämlich unter sonst gleichen Umständen die Stimme als schallstärker empfunden als die Geräusche stimmloser Laute. Innerhalb der Geräusche gehen die Reibungsgeräusche den Explosivschällen vor, u. dgl. mehr.

b) Abstufung nach dem Grad der Dämpfung. Wie schon in 23 f. angemerkt wurde, besitzen Hohlräume, also auch das Ansatzrohr des menschlichen Sprachorgans, unter anderm auch die Fähigkeit, hindurchgeleitete Schälle bis zu einem gewissen Grade zu dämpfen. Diese Fähigkeit stuft sich wiederum wesentlich ab nach der Grösse der Ausflussöffnung des Hohlraums, hier also speciell meist nach der Grösse der Mundöffnung. Daher sind z. B. Vocale mit weiterer Mundöffnung wie a bei gleichem Stromdruck schallstärker als solche wie e, o oder i, u, weil bei den letzteren durch die stärkere Verengung der Mundöffnung ein Theil der primären Stimmstärke auf dem ‘Wege der Dämpfung verloren geht.

518. Die primären Abstufungen der Schallstärke nach 517, 1 Yann man hiernach genauer als Abstufungen der Druckstärke bezeichnen, die beiden Unterarten der secundären Abstufungen nach 517, 2 etwa als Abstufungen der Schallfülle zusammenfassen. Unter Schallstärke verstehn wir dann das Mass der absoluten Lautheit jedes einzelnen Sprachschalles im

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 199. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/219&oldid=- (Version vom 21.6.2022)