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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

196 512. 513. Stimmreduction.


der Articulationsstellung verändert werden. In der Regel dürfte es sich aber auch bei diesen nicht um volle Reduction zum blossen Gleitlaut handeln, sondern um zusammengesetzte Gebilde, die mit einem Stellungslaut anfangen und enden und zwischen diesen beiden (übrigens unter sich nahe verwandten) Stellungsstücken ein überleitendes Gleitstück besitzen.

3. Reduction stimmhafter Laute zu stimmlosen (Stimmreduction).

512. Da wir in dem oben vorgeführten Lautsystem bereits eine besondere Gruppe stimmloser Laute neben den stimmhaften aufgestellt haben, so wäre hier von einer Reduction stimmhafter Laute zu stimmlosen nicht weiter zu reden, vielmehr handelte es sich dabei um den Uebergang aus einer Lautclasse in eine andere bereits im System vorgesehene. Indessen lässt sich, wenn man die historischen Verhältnisse zwischen gewissen stimmhaften und stimmlosen Lauten in’s ‚Auge fasst, doch nicht leugnen, dass der Verlust der Stimme auch als eine Art Reduction betrachtet werden kann. Statt dass nämlich die Stimme während der Einhaltung der specifischen Articulation eines Lautes erzeugt würde, setzt sie erst mit dem Moment ein, wo der Rückgang von der Articulationsstellung beginnt, oder sie setzt in dem Moment aus, wo diese Stellung erreicht wird. Die Stimme ist dann nur in dem Gleitlaut vorhanden, der entweder dem stimmlos gewordenen Consonanten folgt, oder ihm vorausgeht, oder beides. Steht gar kein stimmhafter Laut in der Nachbarschaft, so kann die Stimme sogar ganz fortfallen. So ist z. B. der Uebergang von dem stimmlosen n in isl. hniga, vatna stimmhaft, ebenso der Uebergang von e zu stimmlosen l in engl. felt, dagegen entbehrt das isl. stimmlose n in vatn gänzlich der Stimme. Wir wollen diese Art der Reduction durch untergesetztes  ̬ bezeichnen. So wären die stimmlosen Nasale, falls sie als Entwicklungsproducte stimmhafter Nasale gefasst werden, als , , ꬻ̬ zu bezeichnen, stimmlose l, r als , u.s.w.

513. Wahrscheinlich sind, wenn wir den historischen Verlauf der Entwicklung betonen wollen, unter anderm auch die stimmlosen Mediae durch Stimmreduction aus stimmhaften hervorgegangen, wie unabhängig von einander Storm¹ S. 401. und Hoffory, Zs. f. vgl. Sprachf. XXV, 419 ff. erkannt haben

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 196. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/216&oldid=- (Version vom 21.6.2022)