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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

508—511. Stellungsreduction. 195


Sie treten oft in Folge von Accentschwächungen statt ‘langer’ Diphthonge auf, aber sie erscheinen auch als ‘kurze Diphthonge’ oder ‘Brechungen’ an Stelle betonter kurzer Vocale, z. B. in den westfälischen Mundarten (wahrscheinlich gehören auch die ags. kurzen ea, eo, altn. ia, io hierher).

508. Es ist im Englischen oft schwer zu unterscheiden, ob wirklich noch ein voice-glide als selbständiger Laut gesprochen wird, also ob nicht z. B. in together die Stimme erst mit oder nach dem g-Verschluss einsetzt. Auch im Deutschen schwankt die Aussprache zwischen Typen wie hatʌ̥ man und hatm̩an mit silbenbildendem m (= hatte man).

509. Auch nach andern Lauten erscheinen die Sonorlaute (sowohl ursprüngliche als durch Geräuschreduction entstandene) oft als blosse Gleitlaute, vgl. z.B. was 411 über die Diphthonge bemerkt ist; ja man kann vielleicht geradezu behaupten, dass die gewöhnlich als kurz bezeichneten sonoren Consonanten gewöhnlich nur Gleitlaute sind, indem die eigentliche Stellung für den Consonanten gar nicht eine messbare Zeit hindurch eingehalten wird. Die Grenze ist hier, wie Sweet S. 62 richtig bemerkt, sehr schwer festzustellen.

510. Ob die Reduction zu Gleitlauten auch bei Geräuschlauten, namentlich auch bei stimmlosen Spiranten vorkomme, ist schwer auszumachen. Sweet bemerkt S. 63, dass überhaupt anlautende Consonanten dazu neigen zu blossen Gleitlauten zu werden, z. B. auch s in sa, wo die Stellung für den Consonanten auch nur momentan ist. Indessen ist hier die Sachlage doch etwas abweichend, da man auf jeden Fall ein spirantisches Geräusch von messbarer Länge hört. Eher liesse sich von einer deutlichen Reduction zu blossen Gleitlauten bei den Spiranten mit Geräuschreduction reden.

511. Die hier besprochenen Reductionen specifischer Articulationselemente sind nicht mit den in 470 ff. behandelten Erscheinungen zu verwechseln, bei denen es sich im Prineip zunächst nur um Gleitbewegungen handelt, die für den betreffenden Laut nicht specifisch sind. Beim deutschen zum blossen Gleitlaut reducirten m in m̥a, m̥e, m̥i etc. existirt eben überhaupt nur ein Gleitlaut von der m-Stellung zur Vocalstellung hin, in dem 470 besprochenen mi wird dagegen das m als solches lautend ausgehalten und nur die für das m an sich nicht beschäftigte Zunge in Gleitbewegung versetzt. In den Compromissfällen von 475 etc. lassen sich dagegen eher Analogien zu den hier in Rede stehenden Erscheinungen erblicken, insofern da durch die Gleitbewegungen auch specifische Elemente

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/215&oldid=- (Version vom 21.6.2022)