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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

192 500. 501. Geräuschreduetion.


ebenfalls im chilenischen Spanisch gefunden, z. B. in es̭to, welches fast wie eʿto klingt (nach Storm¹ S. 426 ist dies auch die andalusische Aussprache). Ein stärker supradentales s̭' ist manchmal der 333 erwähnte irische Zischlaut für vocalisches t und das stimmlose englische r nach p, k, z. B. in pride, crow (nach t ist das r wegen der stärkeren Engenbildung deutlicher spirantisch, 284 f.). Auch das russ. x (343) gehört vielleicht als hierher.

500. Aus stimmhaften Spiranten entwickeln sich in ähnlicher Weise sonore Nebenformen, da bei Wegfall des Reibungsgeräusches bloss die Stimme als Schallbildner übrig bleibt. Hier ist noch schwerer zu unterscheiden, ob Erweiterung der Enge, oder Herabsetzung des Stromdrucks durch vollkommenere Hemmung im Kehlkopf die Ursache der Reduction ist. Die Reduction stimmhafter Spiranten ist aber viel häufiger als die stimmloser, vermuthlich weil beiihnen das Reibungsgeräusch an sich durch die Hemmung im Kehlkopf schwächer ist als das der stimmlosen; denn es lässt sich überhaupt beobachten, dass, je schwächer das Reibungsgeräusch eines Spiranten ist, um so leichter und öfter derselbe reducirt wird. So ist das mitteldeutsche labiale w wohl stets geräuschlos, also solange man es auch aushält. Ebenso leicht ist labiodentales ozu bilden; ð̭ ist im Englischen gewöhnlich statt ð (man vergl. des Contrastes halber z. B. das deutlich spirantische neugriech. δ), und auch das gehauchte span. d ist wohl sicher als ð̭ anzusetzen, Sehr verbreitet ist endlich 5, z. B. als Vertreter des deutschen uvularen r (307), auch als Sonant, z.B. in Formen wie Diener, lieferte, Lieferung, oft gesprochen dī-nᵹ̭, lī-fᵹ̭-tᵊ, lī-fᵹ̭-ᵹ̭uꬻ (das im letzten Worte halb Sonant, halb Consonant). Seltener sind reducirte s, š, offenbar weil diese unter allen Spiranten die schärfsten Reibungsgeräusche haben; ein Beispiel eines dorsalen ist das dänische ‘weiche d’, z. B. lade, gade.

501. Es ist klar, dass man bei schematischer Darstellung z. B, auch die sonoren r, l, ja selbst Vocale wie i, 'u, als Reductionen spirantischer r, l, j, w auffassen kann (vgl. die Ausführungen von Hoffory über die sonoren l als ‘unvollkommen gebildete Spiranten’, Zeitschr. f. vgl. Sprachf. XXIII, 537 ff. und Sweet S .51). Die reducirte Spirans j fällt selbstverständlich mit dem Halbvocal zusammen, da sie ja im Wesentlichen nur durch den spirantischen Charakter des geschieden werden. Man kann ebenso auch ð̭, ᵹ̭ etc., sobald sie silbisch gebraucht werden, unter die

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 192. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/212&oldid=- (Version vom 18.6.2022)