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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

190 495. Aufnahme anderer Articulationen. 49%. Reduction.


auf einen einzigen Nachbarlaut beschränkt; vielmehr nehmen in der Regel alle dem betreffenden Vocal silbenanlautend vorhergehenden (unsilbischen) Sprachlaute an der Palatalisirung oder Rundung theil, ja selbst Laute, die andern Silben angehören, können davon ergriffen werden (Näheres für das Russische s. z. B. bei Böhtlingk in den Melanges russes II, 26 ff.).

4. Aufnahme anderer Articulationen.

495. Ausser den Articulationen der Vocale können auch die von andern Sprachlauten in ähnlicher Weise den Articulationen von Nachbarlauten einverleibt werden, wenn eine Öombination der beiden Articulationen möglich ist. Dies geschieht namentlich oft bei der Verbindung von labialen und gutturalen Verschlusslauten (seltener Spiranten) mit l, wie pl, bl, (fl), kl, gl, über die bereits 464 gehandelt ist. Die Verschlusslaute der Vorderzunge entziehen sich einer solchen Combination natürlich: an die Stelle derselben tritt die ebenfalls bereits besprochene Verlegung der Explosionsstelle an die Seitenränder der Zunge (462). — Andere Fälle der Art sind die Vorausnahme einer r-Articulation (namentlich der eines ungerollten), ebenfalls nach labialen und velaren Verschlusslauten, also in Fällen wie pr, br, kr, gr (im Englischen wie mir scheint ganz gewöhnlich). Vocale können in dieser Weise modificirt werden durch Hebung der Zungenspitze zur r-Stellung hin. Nach Sweet 8.53 wird so z. B. das kentische ‘retracted r’ in sparrow etc. dem vorausgehenden Vocal einverleibt, also (spaɪr⸸) d. h.

spā̇ͬ, mit Mischung von a mit cerebralem r. Auch das engl. re in pretty ist oft ein solcher Vocal mit r-Modification, auch die Verbindungen er, ir, ur in der amerikanischen Aussprache, wenn nicht ich irre (vgl. oben 298). Natürlich ist diese Bezeichnung ‘a mit r-Modification’ a potiori gegeben; überwöge das r-Element, so wäre vielmehr von r mit Vorausnahme der ‘a-Stellung’ zu reden. — Gleichzeitige Bildung eines n und p ist 466 berührt worden.

Cap. 24. Reduction.

496. Als Reductionen bezeichne ich zusammenfassend eine Reihe geschichtlich eintretender Veränderungen, welche gewisse Sprachlaute dergestalt erleiden können, dass sie wesentliche Eigenthümlichkeiten, die für ihre Definition mit

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 190. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/210&oldid=- (Version vom 18.6.2022)