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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

481. Mischung versch. spec. Articulat. 482. 483. Palatalisirung. 185


beeinflussten Lauts anlangt, so ist klar, dass dessen Stellung und demnach sein Klang jedesmal eine grössere oder geringere Modification erfahren. Der Klangunterschied tritt nach Massgabe von 95 ff. bei Stimmhaften, seien sie sonor oder nicht, am deutlichsten hervor, aber auch die stimmlosen Spiranten und selbst die Explosionsgeräusche der Verschlusslaute werden mehr oder weniger afficirt, desgleichen natürlich auch die die einzelnen Stellungslaute umrahmenden Gleitlaute. Besonders deutlich machen sich alle diese Erscheinungen bei den Einwirkungen von Vocalen auf ihre unsilbischen (consonantischen) Nachbarlaute bemerkbar. Es gibt also auch von den ‘Consonanten’ im alten Sinne des Worts streng genommen ebensoviel Spielarten als es Vocalnüancen in der betreffenden‚ Sprache gibt (man spreche sich zur Verdeutlichung a︠m︦a︡, e︠m︦e︡, i︠m︦i︡ u.s.f. mit lang ausgehaltenem m und Beibehaltung des vocalischen Mischungselementes vor, oder p͡a, p͡e, p͡i u.dgl., die letzten am besten flüsternd). Graphisch kann man diese verschiedenen ‘Consonant’- Nüancen bei isolirtem Consonantzeichen etwa durch einen übergesetzten kleinen Vocalexponenten bezeichnen. Danach wären also z. B. rᵘ, rⁱ Arten von r die mit Einmischung der u- bez. i-Articulation gebildet, also so gesprochen werden wie es in den Verbindungen r͡u, r͡i etc. (s. 474) geschieht.

481. Unter den verschiedenen Mischungserscheinungen sind sprachgeschichtlich besonders die durch die Aufnahme von Stellungselementen i- und u-ähnlicher Vocale bewirkten von Wichtigkeit, die man mit dem Namen der Palatalisirung und Rundung zu bezeichnen pflegt. Ueber diese und einige andere Erscheinungen soll im Folgenden noch etwas specieller berichtet werden.

1. Palatalisirung.

482. Unter Palatalisirung (vulgo Mouillirung) versteht man die Veränderung, welche ein beliebiger Laaut (oder eine Lautgruppe) durch Anpassung an die Mundarticulation eines palatalen Vocals (speciell oft i oder , s. unten) erfährt, d.h. durch eine dem Palatalvocal entsprechende dorsale Erhebung der Vorderzunge (dazu gesellt sich bisweilen eine spaltförmige Erweiterung der Lippen, mögen diese geöffnet oder geschlossen sein, vgl. 264).

483. Im Folgenden sollen nur solche Fälle behandelt werden, bei denen es sich um eine durchgehende Palatalisirung

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 185. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/205&oldid=- (Version vom 17.6.2022)