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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

184 478—480. Mischung verschiedener specifischer Articulationen.


Palatalstellung der Folge k͡i vorausgenommen, aber doch das k etwas mehr nach vorn eingesetzt als etwa in den Folgen ka, ku, und dann gleitet man von dieser vorausgenommenen Mittelstellung aus in die mehr palatale Stellung über, von der aus die Explosion erfolgt, sodass also partielle Vorausnahme und Eingleitbewegung hier mit einander verbunden sind.

478. Es ist auch nicht nöthig, dass das in die Articulation des Nachbarlauts eindringende Mischelement wie in den bisher gegebenen Beispielen allemal oder allein das des Sonanten bez. Vocals der betreffenden Silbe sei, vielmehr können auch die Consonanten die Sonanten ihrer Silben in ganz analoger Weise beeinflussen. So bildet man im Deutschen, Englischen etc. Vocale wie i, e nach Labialen (welche der Zungenaction volle Freiheit lassen) bez. reinen Dentalen bei sonst gleichen Aussprachsbedingungen (hierauf ist bei der Beobachtung besonderes (rewicht zu legen) normaler Weise etwas höher und weiter nach vorn als nach Alveolaren oder Velaren etc., bei denen die Zunge mehr rückwärts articulirt; man vgl. etwa den helleren bez. dumpferen Klang der : in deutschem Finder, Binder: Kinder, Rinder, engl. thee: tea u. dgl. (vgl. auch 665').

479. Endlich ist auch nicht zu übersehen, dass das Mischungsverhältniss der beiden contrastirenden Articulationen graduell sehr verschieden sein kann, und zwar wiederum besonders nach zwei Richtungen hin. Da alle die besprochenen Erscheinungen auf die Herstellung einer glatteren Bindung der beiden Nachbarlaute hinauslaufen, so ist leicht zu verstehn, dass zu einer Mischung um so eher und stärker Anlass gegeben ist, je weiter die beiden Articulationsstellungen von einander abliegen. Daher wirken z. B. Vocale mit energischer Zungenund Lippenthätigkeit, wie etwa das hohe palatale © oder das stark gerundete « oft stärker als Vocale von mittlerer Zungenhöhe und mit geringeren Graden von Rundung. Andrerseits hängt es sehr von den Gewohnheiten der einzelnen Sprachen ab, wie weit man etwa im Einzelfall der contrastirenden Stellung eines Nachbarlauts entgegen kommt. Es handelt sich dabei nicht nur um den allgemeinen Gegensatz von völliger Vorausnahme bez. Durchhaltung einerseits und die bloss partielle Angleichung durch Eingleiten und Abgleiten, sondern namentlich auch um die verschiedenen Compromissstufen dieser Erscheinungen die in 477 berührt worden sind.

480. Was schliesslich die Einwirkung der Aufnahme eines beliebigen fremden Mischungselements auf den Charakter des

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 184. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/204&oldid=- (Version vom 17.6.2022)