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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

475—477. Mischung verschiedener specifischer Articulationen. 183


Dauer des k. Im ersteren Fall kann man von einem Durchhalten, im zweiten Fall von einem Abgleiten des eingemischten Articulationselements reden: i͡m bezeichnet danach eine Aussprache mit durchgehaltenem, im eine Aussprache mit abgleitendem i-Element, u. s. w.

475. Die bisher besprochenen Beispiele mi, im und ku, um sind insofern besonders einfach, als es sich bei den ersteren um die Einmischung eines Zungenstellungselements (des i) in die Stellung eines reinen Lippenlauts, bei den letzteren um die Einmischung eines Lippenstellungselements (der Rundung etc. des u) in die Stellung eines reinen Zungengaumenlauts handelt, also um die gleichzeitige Bildung zweier Stellungselemente die sich gegenseitig in keiner Weise stören. Anders da wo sich zwei specifische Articulationen eines und desselben Organs zu mischen haben, was namentlich bei der Berührung von zwei Zungengaumenlauten (einschliesslich der Vocale) in Betracht kommt. Hier ist eine Mischung nur um den Preis eines Compromisses zwischen den beiden specifischen Articulationen möglich. Bei einer Folge wie ki setzt man daher zunächst ein gewöhnliches (etwa vordervelares) k ein, rollt dann die Verschlussstelle durch Vorwärtswälzen der an den Gaumen angedrückten Zunge gewissermassen am Gaumendach ab, bis man zu einer für die Bildung des folgenden i bequemen Verschlussstellung gelangt ist, und lässt dann explodiren; bei der Folge Ai wird dagegen der Verschluss des k von vorn herein an der mehr nach vorn gelegenen Stelle gebildet, von der aus ein bequemer Uebergang zum i möglich ist. Umgekehrt bei ik und i͡k.

476. Besonders deutlich sind diese verschiedenen Bildungsweisen bei Consonanten zu unterscheiden, die zwischen zwei verschiedenen Vocalen stehen, also bei Folgen wie a-m-i, a-m-u, i-m-a, a-k-u, u-k-a einer- und solchen wie a-k-i, i-k-a, u-k-i, i-k-u andrerseits. Hier wird beispielsweise bei a-ki das k nach dem velaren Vocal a zunächst velar eingesetzt, dann die Verschlussstelle für das folgende palatale ’ bis zu einer mehr oder weniger ausgeprägten Palatalstellung nach vorn geschoben und dann explodirt, bei a-k͡i dagegen gleich nach dem a palatales k eingesetzt, u.s.w.

477. Weiterhin ist zu beachten, dass es sich bei den verschiedenen Articulationsmischungen nicht immer nur um reine Beispiele von Vorausnahme bez. Durchhaltung einerseits und von Eingleiten bez. Abgleiten andrerseits handelt, sondern dass auch hier Compromissformen auftreten können. So wird z. B. beim gewöhnlichen deutschen ki zwar nicht die volle

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 183. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/203&oldid=- (Version vom 15.6.2022)