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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

182 471—474. Mischung verschiedener specifischer Articulationen.


471. Ebenso gut kann man aber auch nach der zweiten Art ohne Störung der specifischen Articulation des m (als labialen Nasals) oder des k (als velaren Verschlusslauts) bei m die Zunge von vorn herein in die i-Stellung, bei ku desgleichen die Lippen in die Rundungsstellung etc. des u bringen und dann diese Elemente der Gesammtstellung bis zum Ende des m bez. k festhalten, so dass also m und i, k und u von Anfang an enger an einander gebunden erscheinen. Wir wollen diese Art engerer Bindung erforderlichen Falls durch ein  ͡ über der betreffenden Lautfolge bezeichnen, also m͡i, k͡u im Gegensatz zu der in 470 beschriebenen ersten Art der lockereren Bindung mi, ku, die wir nicht besonders auszeichnen.

472. In derselben Weise wie das m in der 470 beschriebenen Folge mi u.ä. werden sehr gewöhnlich auch die h in Bindungen wie ha, he, hi. ho, hu hervorgebracht, d.h. die Zunge begibt sich erst während der Dauer des Hauchs durch Gleitbewegung in die Stellung des folgenden Vocals. Daneben gibt es aber natürlich auch Bindungen wie h͡a, h͡e, h͡i etc. mit fester Zungenstellung während der Dauer des h, namentlich da wo das h zwischen gleichen Vocalen steht, wie in aha, ihi, uhu u.s.w.

473. In beiden Fällen ist während der Dauer der m, k mindestens ein Theil der specifischen Articulation der i, u als unspecifisches Element in die m- und k-Stellung eingemischt worden, und zwar hier speciell durch Anticipation. Mit Rücksicht auf die verschiedene Art dieser Anticipation entweder durch allmähliche Gleitbewegung (470) und damit durch fortschreitende Mischung, oder durch feste Aufnahme von Anfang an (471), können wir danach genauer ein Eingleiten oder aber eine Vorausnahme dieses Mischungselements unterscheiden, oder sagen, dass mi, ku mit eingleitendem, m͡i, k͡u aber mit vorausgenommenem i- bez. u-Element gebildet werden.

474. In analoger Weise können aber auch Elemente der specifischen Stellung eines vorausgehenden Lautes entweder bis zum Schluss des Folgelauts beibehalten, oder aber während der Dauer dieses zweiten Lautes durch eine Gleitbewegung allmählich entfernt werden. Man kann also z.B. die Folge i + m entweder als i͡m sprechen, d. h. so, dass man die i-Stellung der Zunge bis zum Schluss des m beibehält, oder aber als im, d.h. so, dass man schon während der Dauer des m die Zunge aus der anfänglichen i-Stellung nach der Ruhelage hin zurücksinken lässt (das letztere ist die im Deutschen gewöhnlichste Art); ähnlich bei u͡k im Gegensatz zu uk bezüglich der Einhaltung oder allmählichen Aufgabe der Lippenrundung während der

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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 182. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/202&oldid=- (Version vom 15.6.2022)