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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

469. 470. Mischung verschiedener specifischer Articulationen. 181


gemeinschaftlicher Articulationsfactoren wieder zur Geltung; man vgl. also Lautfolgen wie mw, mf, ns, , ꬻx und umgekehrt. Die einzelnen Fälle bedürfen keiner weiteren Ausführung.

Cap. 23. Mischung verschiedener speeifischer Articulationen.

469. Zwei Nachbarlaute können im Wesentlichen auf zwiefach verschiedene Weise mit einander verbunden werden. Entweder articulirt man den ersten Laut zunächst unbekümmert um den Folgelaut, d.h. man stellt nur diejenigen Theile des Sprachorgans ein, welche an der Bildung der specifischen Articulation des ersten Lautes nothwendig betheiligt sind, oder man nimmt von Anfang an dergestalt bereits auf den kommenden zweiten Laut Rücksicht, dass die bei der specifischen Artıiculation des ersten Lautes nicht beschäftigten Theile des Sprachorgans ganz oder theilweise so eingestellt werden wie es der Folgelaut verlangt. Einige Beispiele mögen dies erläutern.

470. Eine Silbe wie mi wird nach der ersten (z. B. im Deutschen meist üblichen Art) so begonnen, dass man die Lippen schliesst, die Gaumenklappe öffnet und dann die Stimme einsetzt. Das Product dieser Articulation ist ein (indifferentes) m. Die Zunge befindet sich dabei zunächst unthätig in der Ruhelage. Um nun von dieser Gesammtstellung zu der des i zu gelangen, muss man einerseits die Gaumenklappe schliessen und die Lippen öffnen, andrerseits die Zunge in die i-Stellung bringen (um hier von einer etwaigen spaltförmigen Ausdehnung der Lippen u. dgl. abzusehen). Von diesen verschiedenen Bewegungen müssen Gaumenschluss und Lippenöffnung, die zusammen das Ende des m herbeiführen, gleichzeitig vollzogen werden. Dagegen pflegt man (wie das für bestimmte Einzelfälle wohl zuerst Bremer S. 56 f. deutlich ausgeführt hat) die Zunge schon während der Dauer des m allmählich in die i-Stellung hinein oder wenigstens in der Richtung auf diese Stellung hin gleiten zu lassen. Aehnlich auch bei der Bildung von Folgen wie ku. Hier kann man zunächst bei indifferenter Lippenstellung bloss den velaren Verschluss des k bilden und dann erst während der Dauer des k die Lippen in die für das folgende u erforderliche Rundungs- bez. Vorstülpungsstellung gleiten lassen.

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 181. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/201&oldid=- (Version vom 13.6.2022)