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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

180 465—468. Berührungen homorganer Laute.


eine Explosion durch die Seitenöffnungen zwischen Zunge und Zähnen statt, da der Mittelweg durch die Anpressung der Vorderzunge an Vorderzähne oder Gaumen versperrt ist. Aber die specifische Lippenexplosion der Labiale bleibt bestehn. Auch die Velare scheinen im Allgemeinen keine wesentliche Umlagerung ihrer Explosionsstelle zu erfahren, es sei denn, dass sie mit dem velaren l (315) verbunden werden.

465. 2. Die nasale Explosion der Verschlusslaute vor homorganem Nasal, also pm, tn, kꬻ u.s.w., wie in abmachen, Aetna u.dgl. Hier wird der gewöhnlichen Explosion die Explosion der Gaumenklappe substituirt, d. h. der gewöhnliche Mundexplosivlaut durch den entsprechenden faucalen Explosivlaut (168) ersetzt.

466. In den meisten Sprachen sind sowohl die laterale wie die nasale Explosion in den angegebenen Fällen Regel, sobald es sich um reine Tenuis oder Media handelt. Dagegen kommt die Aspirata der Tenuis öfter ohne diese Assimilation vor; doch auch für die reine Tenuis sind mir hier und da (z. B. im Magyarischen) Fälle des Unterbleibens der nasalen Explosion bekannt geworden. — Im Deutschen haben beide Arten von Umlegung der Explosionsstelle sehr stark um sich gegriffen. Namentlich haben sich auch die unbetonten Endsilben -el, -en hier angeschlossen: sie verlieren meist ihren Vocal und ausserdem assimilirt sich das n von -en gern an den vorausgehenden Verschlusslaut. So spricht man mit silbischem l, n fast überall tā̀-dl, kí-tl, lā̀-dn, há-tn, auch blaì-bm, lá-pm, kná-kꬻ (in Sachsen auch mit doppelter Assimilation kꬻá-kꬻ oder tná-kꬻ) für Tadel, Kittel, laden, hatten, bleiben, Lappen, knacken; doch gehen hierin die verschiedenen Mundarten öfter auseinander. — Uebrigens täuscht man sich über das Vorkommen oder Fehlen dieser letzteren Art von Assimilation selbst in der eigenen Mundart sehr gewöhnlich. Recht schlagend tritt aber z. B. der Unterschied zwischen assimilirenden und nichtassimilirenden Sprachen hervor, wenn wir etwa unsere heimische Articulationsweise auf das Englische übertragen und tèⁱ-kꬻ (e = ), òᵘ-pm für tèⁱ-kn, òᵘ-pn (taken, open) aussprechen (im letzteren Falle wird übrigens der Zungenverschluss des n, wie Sweet S. 213 zuerst bemerkt, schon vor der Explosion des p gebildet, sodass das p hier nach 457 zu beurtheilen ist).

467. Ausser den zuletzt geschilderten wesentlicheren Assimilationen kommen gelegentlich noch andere, weniger belangreiche vor, namentlich wenn Verschlusslaut und Spirans nicht ganz homorgan sind. So pflegen wir bei fp und pf das p labiodental zu bilden; beim t von legt sich die Zunge oft seitlich stärker an den Gaumen an als beim isolirten t, und bekommt überhaupt eine stärkere dorsale Wölbung, u. dgl. mehr. Ueberall zeigt sich dasselbe Bestreben, möglichst vollkommene Homorganität herzustellen, welches so vielfache Assimilationen hervorgerufen hat.

468. Auch beim Zusammentreffen zweier Dauerlaute kommt das Gesetz von der nur einmaligen Ausführung

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 180. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/200&oldid=- (Version vom 13.6.2022)