Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen | |
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446. 447. Sonore und Verschlusslaute. | 175 |
wie ampa, anta, aꬻka müsste gar der Verschluss der Gaumenklappe
das Geräusch erzeugen). Aber man wird bei einiger
Aufmerksamkeit finden, dass ein derartiges Geräusch beim gewöhnlichen
Sprechen durchaus nicht existirt. Vielmehr erleidet
nur der Vocal eine eigenthümliche Modification am Schlusse,
dadurch dass sich an den eigentlichen Vocal der specifische
Gleitlaut von der Vocalstellung zur Stellung des folgenden Verschlusslauts
anreiht, und nach diesem Gleitlaut schliessen
wir, falls die Explosion nicht alsbald erfolgt, auf die Articulationsstellung
des folgenden Explosivlauts (vgl. 103). Bei den
stimmhaften Medien kommt dazu noch die Klangfarbe des
Blählauts als Unterscheidungsmittel in Betracht, da auch diese
nach der Grösse des durch die Mundabsperrung gebildeten
Blindsacks wechselt. — Die grössere oder geringere Deutlichkeit
des Gleitlauts richtet sich aber wesentlich nach der Stärke
des Vocals im Uebergangsmoment (man hört den Gleitlaut also
z. B. deutlicher in ăpa als in āpa, weil im letztern Falle der
Schluss des langen Vocals geringere Stärke hat; deutlicher bei
folgender Fortis als vor Lenis, weil bei ersterer noch stärkere
Exspiration dem Verschluss vorangehen muss, u. s. w.).
446. In den meisten Sprachen dürfte dieser directe Uebergang mit durchaus stimmhaftem Sonorlaut der häufigste sein, wenn der Sonorlaut silbenbildend ist. Die Sprachen mit sog. Stosston (im Sinne von 585 ff.) kennen daneben auch den festen Uebergang (āʾpa, āʾta, āʾba, āʾda etc... Gehauchter Uebergang nach Vocalen ist selten, findet sich aber z. B. regelmässig im Isländischen vor tt, kk, pp, z. B. in dóttir, gesprochen dōʿtir, nach Sweet S.76 auch bisweilen im Schottischen, z. B. in ʿu̯ɔ²t = what. Er entspricht dem skr. Visarga vor Verschlusslauten.
447. Unsilbischer Sonorlaut wird consequenter Weise
oft mehr oder weniger (d. h. ganz oder nur in seinem letzten
Theile) stimmlos; vgl. z. B. engl. built mit build, felt mit
felled, tent mit tend u.dgl.
448. Es ist nicht nöthig, hier alle überhaupt möglichen Combinationen zu besprechen, da nach dem bisher Erörterten eine Menge derselben ohne Weiteres verständlich sein wird.
449. Selbstverständlich gilt auch hier das Gesetz, dass stimmhafte Geräuschlaute ohne Aussetzen der Stimme
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 175. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/195&oldid=- (Version vom 13.6.2022)