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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

439—442. Stimmlose Verschlusslaute und Sonore. 173


439. Unaspirirte stimmlose Verschlusslaute mit offenem Kehlkopf (also Verbindungen wie ka, ta, pa [sowohl Spreng- als Lösungsfortes] und g̬a, d̬a, b̬a) haben den directen Uebergang, d. h. unmittelbar nach der Mundexplosion schlagen die Stimmbänder zur Stimmstellung zusammen und erfolgt ebenso plötzlich die Einstellung des Mundes für die specifische Articulationsstellung des Folgelauts. Auf die Explosion folgt also nur ein Gleitlaut von minimaler Dauer, der jedenfalls ohne hauchartigen Charakter ist. Er ist der Regel nach stimmlos, allenfalls aber auch schon stimmhaft (namentlich nach stimmlosen Lenes, die historisch aus stimmhaften hervorgegangen sind und in der betreffenden Sprache etwa noch mit solchen wechseln; vgl. oben 374).

440. Bei den aspirirten Verschlussfortes (den Tenues aspiratae), also bei kʿa, tʿa, pʿa mit gehauchtem Uebergang, setzt die Stimme erst eine merkbare Zeit nach der Mundexplosion ein. Die Zwischenzeit wird durch einen Hauch von verschiedener Stärke und Dauer ausgefüllt. Solche Aspiraten sind z. B. die bühnendeutschen k, t, p im Anlaut. Der Hauch ist hier von mittlerer Stärke und Dauer. Weit stärker ist er z. B. bei den kʿa, tʿa, pʿa in der irischen Aussprache des Englischen oder denen des Dänischen (von denen Sweet angibt, dass sie durch einen selbständigen Hauch nach der Explosion gebildet werden); die Hauche sind hier so stark, dass sie oft deutliche Reibegeräusche bilden, d.h. die Affricata (454) an die Stelle der Aspirata tritt (das dän. tʿ klingt, wie schon Storm² S. 74 bemerkt, namentlich vor palatalen Vocalen oft beinahe wie deutsches z, und annähernd ähnliches lässt sich auch in der Irish brogue beobachten). Als Beispiele schwacher Aspiraten können die k, t, p des Englischen nach der normalen Aussprache dienen (doch habe ich von Schotten gelegentlich auch unaspirirte anlautende Tenues gehört, wie in time, tell).

441. Aspirirte stimmlose Verschlusslenes scheinen nicht eben vorzukommen, obwohl sie sich bilden lassen, indem man zunächst mit schwachem Druck explodirt und dann die Exspiration für den Hauch verstärkt. Doch ist diese Bildung unbequem, und deshalb tritt, wo etymologische stimmlose Verschlusslenis + Hauch mit einander verschmelzen, wohl stets Verstärkung zur Tenuis aspirata ein, wie in oberd. pʿaltᵊ, kʿȫrt aus b-halte, g-hört u. dgl.

442. Eine besondere Merkwürdigkeit, nämlich Tenues aspiratae mit stimmhaftem Hauch weist der armenische Dialekt von Aštarak als Nebenform der oben (436) beschriebenen Mediae aspiratae auf. Wegen

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 173. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/193&oldid=- (Version vom 13.6.2022)