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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

436. Verschlusslaute und Sonore. 171


enthalten vielleicht nur Murmelstimme, nicht Vollstimme). Andererseits wird der Blählaut um so schwächer, je mehr er sich seinem Ende, d.h. der Explosion, nähert, weil mit der zunehmenden Verdichtung der Luft im Mundraum die Stimmbänder immer weniger leicht und kräftig ansprechen. Mit der Explosion setzt dann die Stimme voll ein. Der Contrast zwischen dem Moment vor und dem nach der Explosion führt dabei leicht zu der Annahme, dass der Blählaut vor der Explosion erlösche und die Stimme nachher wieder neu einsetze. Die Auscultation des Kehlkopfs zeigt aber, dass in Wirklichkeit nur eine Schwächung und nachfolgende Verstärkung der Stimme eintritt.

436. Schwierigkeiten bereitet die Analyse der sog. Mediae aspiratae, d.h. der stimmhaften Mediae mit gehauchtem Absatz, welche namentlich im Sanskrit und den neuindischen Mundarten vorliegen und bereits in dem indogermanischen Lautsystem eine wichtige Stelle einnahmen. Aus der älteren Literatur über diese vielbesprochenen Laute seien hervorgehoben die Aufsätze von Ü. Arendt in Kuhn und Schleicher’s Beiträgen II, 283 ff. und E. Brücke, Sitz.-Ber. der Wiener Akad., phil.hist. Cl. XXXI 219 ff. Nach den Angaben von Brücke, die ich durch mündliche Mittheilungen von Kielhorn bestätigt finde (s. auch Storm² S.75£.), existiren in neuindischen Idiomen, z.B. im Mahrathi, stimmhafte Medien, denen sich ein stimmloser Hauch, unser h anschliesst, wie etwa in bhau Bruder. Diese wären als bʿ etc. zu transscribiren, also bʿ au u.s.w. Doch kann diese Aussprache schwerlich die der alten Inder gewesen sein, da diese ihren Medialaspiraten einen stimmhaften Hauch zusprechen. Bei einem Hindu glaube ich auch in der That bei langsamer und deutlicher Aussprache hier in einem Wort wie bʿ ai Bruder einen leicht stimmhaften Hauch (vgl. 87. 283 etc.) gehört zu haben, der freilich bei flüchtigerer Rede fast ganz verschwand (vgl. 437); weit deutlicher stimmhaft sind die Hauche einer Art von Aspiraten, die ich in dem armenischen Dialekt von Astarak habe beobachten können, als Vertreter der ostarmen. Mediae b, d, g. Hier schliesst sich an die Explosion der (stimmhaften) Media zunächst ein Stück gehauchter Murmelstimme an, ehe die Vollstimme einsetzt. Der Hauch ist dabei so stark, dass zu vermuthen steht, dass bei seiner Erzeugung die Knorpelglottis geöffnet ist und dass sie sich erst beim Einsatz der Vollstimme schliesst. Bezeichnen wir diese Aussprache durch ʿʿ, so lauten also armen. Wörter wie babik, dadik

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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 171. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/191&oldid=- (Version vom 12.6.2022)