Seite:Eduard Sievers - Grundzüge der Phonetik - 1901.djvu/175

Diese Seite wurde noch nicht korrekturgelesen. Allgemeine Hinweise dazu findest du auf dieser Seite.
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

395—397. Ein- und Absätze der Vocale, Liquidae und Nasale. 155


395. Auch das Kehlkopf-r, über welches bereits 309 das Nöthige beigebracht ist, lässt sich unter Umständen als eine specifische Form des Vocalausgangs betrachten, indem sich an die glatte Stimme des Vocals noch ein Stück Knarrstimme ansetzt.

2. Liquidae und Nasale.

396. Auch bei diesen Lauten können die verschiedenen Ein- und Absätze sämmtlich gebildet werden, doch überwiegt bei ihnen fast überall der leise Einsatz. Dies ist leicht begreiflich, da sie als Consonanten mit schwächerem Exspirationsdruck als der Sonant (Vocal) ihrer Silbe gesprochen werden, als Sonanten aber nur in Verbindung mit andern Lauten auftreten, welche sich auch mit Vocalen durch den leisen Einsatz zu verbinden pflegen. So pflegen namentlich gehauchte Einsätze im eigentlichen Sinne des Wortes zu fehlen, d. h. Verbindungen einer stimmlosen und stimmhaften Liquida u. s. w. Wo ursprünglich ein stimmloser Hauch und eine Liquida oder Nasal in einer Silbe zusammenstiessen, hat sich in der Regel diese Gruppe in eine einheitliche stimmlose Liquida bez. stimmlosen Nasal umgesetzt. So werden z. B. die altgermanischen hl, hr, hn im heutigen Isländischen als stimmlose (und zwar spirantische) r, l, n gesprochen (Hoffory, Kuhn’s Zeitschr. XXIII, 531 ff.), die Stimme setzt erst mit dem folgenden Vocal oder höchstens während der Gleitbewegung zu diesem hin ein. Dagegen ist der leise gehauchte Absatz im Wortauslaut in vielen Sprachen sehr verbreitet, z. B. im Dänischen, aber auch im Deutschen kommt er vor. Den festen Einsatz habe ich bei isolirt anlautenden consonantischen Liquiden oder Nasalen nirgends beobachtet, ausser öfter etwa bei den ablehnenden, namentlich im Affect gesprochenen "nein, doch ist es nicht unwahrscheinlich, dass die Vocalvorschläge mancher Sprachen vor r, l, m, n durch Annahme einer früheren Aussprache ʾr, ʾl, ʾm, ʾn zu erklären sind. Ueber inlautende ʾn, ʾl u.s. w. in Sprachen mit ‘gestossenem Ton’ vgl. 586.

397. Am deutlichsten lassen sich die verschiedenen Ein- und Absätze an den Interjectionen erkennen, die wir durch Am zu umschreiben pflegen. Dieselben sind nämlich offenbar nur durch die Wirkung von Trägheitsgesetzen aus Wörtern wie so, ja, ach u. s. w. hervorgegangen, und zwar so, dass das Ansatzrohr durchaus in der 55 ff. beschriebenen Ruhelage verharrt und nur die Articulationen des Kehlkopfs und die nöthigen Exspirationsbewegungen ausgeführt werden. Jeder Vocal eines auf diese Weise corrumpirten Wortes muss je nach der Lagerung der Vorderzunge zu m oder n werden, jeder begleitende Consonant mit

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 155. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/175&oldid=- (Version vom 8.6.2022)