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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

390—392. Ein- und Absätze der Vocale. 153


390. Beginnt dagegen die Exspiration mit stärkerem Druck bereits merkliche Zeit vor dem Einsatz der Stimme, so entstehen die deutlicheren und kräftigeren Hauchlaute, die gewöhnlich mit h bezeichnet werden. Diese selbst können wieder wesentlich verschieden sein je nach der Art der Luftgebung und deren Verhältniss zu etwaiger Hemmung im Kehlkopf.

391. Was den ersteren Punkt anlangt, so scheint z. B. beim gewöhnlichen deutschen h der Luftstrom mit schwachem Druck einzusetzen und nach dem folgenden Vocal hin allmählich und continuirlich stärker zu werden (vgl. die Curve Ila bei E. A. Meyer). Dies Crescendo-h ist wohl die Form, welche Ellis als flatus glottid bezeichnet. Ihr stellt Ellis IV, 1130 den sog. jerk entgegen, bei dem der Hauch mit voller Stärke einsetzen und nach dem Vocal zu schwächer werden soll (Decrescendo-h). Diese Form scheint im Deutschen wohl gelegentlich bei dem kurz herausgestossenen hă! (als Ausruf des Erstaunens) vorzukommen. Davon verschieden ist dann wiederum das etwas forcirte h des Englischen, das zunächst anschwillt und dann wieder an Druck abnimmt, ehe die Stimme einsetzt (vgl. Meyer’s Curve IIIa).

392. Hinsichtlich des zweiten Punktes soll nach den Untersuchungen von ‚Czermak (Wiener Sitz.-Ber., math.-naturw. Cl. LII, 2, 623) und Brücke (Grundz. 9) wesentlich sein, dass die Stimmritze während der Dauer des h (wenigstens des deutschen) in der Hauptsache auf einem bestimmten Verengungsgrade festgehalten wird, der zwischen Athemöffnung und Flüsterstellung die Mitte hält. Wahrscheinlich aber beruhen diese Angaben wenigstens zum Theil auf einem leicht erklärlichen Beobachtungsfehler. Die Stimmbänder treten allerdings in die beschriebene Stellung, wenn man das h künstlich auszuhalten sucht, das Ganze dient aber wohl nur der freilich in diesem Falle sehr nothwendigen Athemersparung und ist deshalb für die kürzeren h der natürlichen Rede an sich nicht verbindlich. Vielmehr setzt z. B. beim gewöhnlichen deutschen h (wie auch schon Brücke richtig beobachtete) der Hauch bei weit geöffneter Stimmritze ein und die Stimmbänder nähern sich einander in continuirlicher Gleitbewegung bis die Stimme einsetzt. Charakteristisch ist für diese Art von h, dass dabei kein irgend deutlich wahrnehmbares Reibungsgeräusch im Kehlkopf erzeugt wird, das h vielmehr als ein einfacher Hauch auftritt. Man kann danach diese Art von h genauer als gehauchte h oder Hauch-h bezeichnen; als Zeichen für sie soll im Folgenden

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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 153. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/173&oldid=- (Version vom 8.6.2022)