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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

385—387. Ein- und Absätze der Vocale. 151


Stimmbänder erforderlich. Nach der Art wie diese bewirkt wird, unterscheiden wir drei Hauptformen:

385. Der feste Einsatz (check glottid Ellis, glottal catch Sweet). Die Stimmbänder werden zunächst fest geschlossen, dann wird bei beginnender Exspiration der Verschluss gesprengt, worauf dann die Stimme sofort einsetzt. Hier geht also dem eigentlichen Vocal, wie schon Rapp I, 54 bemerkte, der stimmlose Kehlkopfexplosivlaut (oder wie er sich ausdrückt, der Kehlkopfschlaglaut), 329, voraus, dessen eigenthümliches Knacken man namentlich beim Flüstern gut beobachten kann. Von der Verbindung anderer Explosivlaute mit Vocalen unterscheidet sich der ‘feste Einsatz’ nur dadurch, dass hier Explosion und Stimme an derselben Stelle gebildet werden, also keine weitere Umstellung der Organe für die Stimme erforderlich ist; dadurch verliert der Explosivlaut etwas an Deutlichkeit, namentlich da, wo er nicht sehr energisch gebildet wird. In manchen Sprachen, so z. B. namentlich im Deutschen, wechselt er frei mit dem leisen Einsatz (387), so zwar, dass isolirte, namentlich stark betonte Vocale im freien Anlaut ihn bekommen, während er bei unbetonter Stellung und im Satzinnern zu verschwinden, d. h. eben durch den leisen Einsatz ersetzt zu werden pflegt.

386. Man bezeichnet den Kehlkopfexplosivlaut, auch wo er bloss als Einsatz dient, gewöhnlich mit ʾ (vgl. 353), d.h. dem Zeichen des griech. Spiritus lenis, mit dem man diesen Einsatz eine Zeit lang fälschlich identificirt hat. In den indogerm. Sprachen scheint er überhaupt ziemlich modern zu sein, nach den Kriterien zu schliessen, die bei so vielen Sprachen gegen seine Anwendung sprechen (Elisionen und Contractionen von Nachbarvocalen, sowie das Herüberziehen wortauslautender Consonanten zum vocalischen Anlaut des Folgeworts, die sog. Liaison).

387. Der leise Einsatz (clear glottid Ellis, clear beginning Sweet). Die Stimmbänder werden von vorn herein zum Tönen eingestellt. Erst nachdem diese Stellung erreicht ist, setzt die Exspiration ein. Dieser Einsatz ist bei isolirten Vocalen beim gewöhnlichen Sprechen (weniger beim Singen) in Deutschland ungewöhnlich, wohl aber herrscht er auch hier bei wortanlautenden Vocalen im Innern des Satzes (vgl. 385). Im Englischen ist er nach der Aussage der englischen Phonetiker die üblichste Form des unaspirirten Vocaleinsatzes. Er ist nicht ganz leicht

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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 151. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/171&oldid=- (Version vom 7.6.2022)