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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

150 382—384. Ein- und Absätze der Vocale.


I. Laute und Lautverbindungen.
Cap. 17. Lauteinsätze und -absätze.
1. Vocale.

382. Die drei Hauptfactoren der Vocalbildung sind die Bildung des Druckstroms, die Einstellung der Stimmbänder zum Tönen und die Einstellung des Ansatzrohrs für die specifische Resonanz. Von diesen muss die letztgenannte Bewegung mindestens in dem Momente bereits vollendet sein, wo die Stimme ertönt, und die so erreichte Einstellung des Ansatzrohrs muss mindestens bis zu dem Momente des Erlöschens der Stimme angehalten werden, wenn ein einfacher Vocal von bestimmter Klangfarbe entstehen soll. Sie kann aber auch natürlich ohne Schaden für den Vocal bereits vor dem Beginn der Exspiration eingeführt und über deren Ende hinaus festgehalten werden, da sie ja allein für sich keinen Laut erzeugt. Unterschiede dieser Art sind also weniger bedeutsam. Dagegen ergeben sich wichtigere Differenzen, je nachdem sich zu Eingang oder Ausgang eines Vocals die Exspiration und die Kehlkopfarticulation combiniren. Lediglich diese Combinationen sollen im Folgenden als Vocaleinsätze und -absätze bezeichnet werden.

383. Man achte darauf, dass diese beiden Namen wirklich nichts anderes ausdrücken sollen, als was in der gegebenen Definition gesagt ist. Natürlich können die Ein- und Absätze, sofern sie von den Vocalen selbst mehr oder weniger deutlich getrennte Schallproducte liefern (und das ist ja meist der Fall), auch als selbständige Laryngallaute betrachtet werden, wie das auch im Vorhergehenden bereits des Oefteren geschehen ist (vgl. 178. 346. 353 f. und sonst). Aber eine zusammenfassende Erörterung der betreffenden Articulationsvorgänge auch an dieser Stelle ist doch unentbehrlich, will man anders über die verschiedenen Arten der Behandlung des Vocalanlauts und -auslauts zur Klarheit gelangen. Die sachliche Schwierigkeit liegt eben darin, dass Laryngale und Vocale an gleicher Stelle gebildet werden und daher eine feste Grenze zwischen Ein- und Absatz einerseits und selbständigem Laryngallaut andrerseits nicht zu ziehen ist. Aehnliches gilt dann mutatis mutandis auch von den Ein- und Absätzen der übrigen Laute.

384. Vocaleinsätze. Vor dem Beginn eines Vocals, dem nicht schon ein anderer Mundlaut vorausgeht, ist normaler Weise die Stimmritze zum Behuf des Athmens geöffnet. Es wird also zur Vocalbildung jedesmal eine eigene Einstellung der

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 150. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/170&oldid=- (Version vom 7.6.2022)