Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen | |
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375. Die Verschlusslaute: Terminologisches. | 145 |
für geflüsterte Laute, was ihm andere nachgeschrieben haben:
von der Unrichtigkeit dieser Ansicht kann man sich in jedem
Augenblick durch Auscultation des Kehlkopfs (28) und durch
die Thatsache überzeugen, dass auch beim Flüstern die stimm-
lose Lenis von der wirklich geflüsterten Lenis leicht unter-
schieden werden kann. Genaueres über die stimmlosen Lenes
hat erst Winteler gelehrt; nach ihm haben besonders Hoffory
(in Scherer’s Geschichte der deutschen Sprache² 602 ff. und
Kuhn’s Zeitschr. XXV, 419 ff.), Storm, Engl. Phil. 40 f. und
A.Heusler a.a.O. zur Klärung der Sachlage beigetragen, so dass
ein Zweifel über die Bildung dieser Laute wohl nicht mehr be-
steht. In der Bezeichnung schwankt man dagegen noch. Die
einen bezeichnen die stimmlosen Verschlusslenes als stimm-
lose Mediae, weil sie den Medien im alten Sinne (d.h. den
stimmhaften Verschlusslenes) im Klange am nächsten stehen
und sich mit diesen auch geschichtlich am häufigsten berühren ;
die andern ziehen den Ausdruck schwache Tenues vor, weil
sie sich mit den Tenues im alten Sinne (d. h. den stimmlosen
Verschluss-, genauer Sprengfortes) in der Stimmlosigkeit be-
rühren: in beiden Fällen ist der alte Begriff von ‘Media’ und
‘Tenuis’ erweitert worden, und so wäre es am Ende ziemlich
gleichgültig, obman den einen oder andern Ausdruck gebrauchte,
wenn es feststünde, dass mit den angegebenen Unterscheidungs-
merkmalen (stimmhaft und stimmlos, Fortis und Lenis) der
Unterschied aller vorkommenden Arten von Verschlusslauten
auch wirklich erschöpft ist. Das ist aber, nach der oben fest-
gestellten Unterscheidung von Sprenglauten und Lösungslauten
nicht der Fall. Mit Rücksicht auf diesen Unterschied gehören
die stimmlosen Leenes als Lösungslaute sicher näher mit den
Medien (d. h. nach der ursprünglichen Bedeutung dieses Namens
— stimmhaften Lösungslenes) zusammen als mit den Tenues
(d. h. ursprünglich stimmlosen Sprengfortes). Will man also
einen der beiden Ausdrücke Tenuis und Media erweitern, so
kann es füglich nur der Name ‘Media’ sein, indem man, bei
sonst gleichem Bildungsmechanismus, stimmhafte undstimm-
lose Media ebenso einander gegenüberstellt, wie man ent-
sprechendes bei beliebigen andern Geräuschlauten thut. Dabei
bleiben freilich die mitteldeutschen Lösungsfortes einstweilen
ohne Namen und uneingereiht in die alte Reihe Tenues—Mediae:
ein ge der nicht allzu bedeutend sein dürfte.
375. In Anknüpfung an die alte Terminologie könnte man hiernach etwa folgende Ausdrücke noch verwenden:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 145. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/165&oldid=- (Version vom 7.6.2022)