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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

340. Die Spiranten: Die š-Laute. 341. 342, Die x-Laute. 133


š́tēn etc., gegenüber dem deutlich nichtpalatalen š aus altdeutschem sk, wie in Schade, schreiben etc. Durch Hebung des hintern Zungenrückens entsteht nach Sweet und Storm das schwedische š in skilling, själ, das besonders im Südschwedischen durch labiale Modification und Senkung der Vorderzunge verstärkt werden kann und das wie ein Zwischenlaut zwischen deutschem sch und ch in ach klingt (Storm² S. 72). Auch die franz. ch, j sind wohl mit gesenkter Zungenspitze gebildet, die norddeutschen und englischen š aber mit gehobener Zungenspitze. Dazu hat, wie Sweet bemerkt, das engl. sk grössere Oeffnung als das deutsche sch und dadurch liegt zugleich seine Enge etwas weiter rückwärts. Eigentlich cerebrales ṣ̌ scheint z. B. das Sanskrit besessen zu haben: gehört habe ich den Laut nicht.

340. Die palatalen š́ nähern sich oft im Klange den Palatalen chLauten (ich-Laut), mit denen sie oft wechseln (wie denn z. B. dem russ. ть mit palatalem ich-Laut oder stimmlosem spirantischem i im Polnischen ć mit palatalem ś entspricht).

3. Die palatalen und velaren x-Laute.

341. Neben dem palatalen Zischlaut š, ž steht der palatale Spirant , den wir im Deutschen mit dem Namen des ich-Lauts zu bezeichnen pflegen, nebst seinem stimmhaften Correspondenten, der Spirans j, wie sie in Nord- und Mitteldeutschland grossentheils gesprochen wird (wohl zu unterscheiden von dem Halbvocal , der z. B. in Süddeutschland häufig vorkommt, vgl. 422). Der physiologische Spielraum dieses ist natürlich verhältnissmässig sehr bedeutend (vgl. 161). Unser deutsches ch nach oder vor i und unser j würden zu der vorderen palatalen Species (ꭓ¹) gehören (noch weiter nach vorn liegt das , das z. B. in Thüringen und Sachsen für j (und g) gesprochen wird, wie in jeder, jung, liege, gespr. ꭓēdᵊᵹ, ꭓuꬻ(k), līꭓᵊ u.dgl.), während z.B. das holländische g nach e, i der hinteren Palatalreihe (ꭓ²) zufällt.

342. Eine Art Zwischenlaut zwischen š und (ꭓ̌) findet sich in einem westmitteldeutschen Dialektgebiet (Frankfurt, Nassau etc.) als Vertreter von etymologischem š und neben palatalen Lauten, also z. B. in Verbindungen wie grīꭓ̌iꭓ̌ə gəꭓ̌iꭓ̌tə ‘griechische Geschichte. Die Zungenartieulation scheint hier wesentlich die eines zu sein, gleichzeitig besteht aber eine leichte (verticale) Rundung der Lippen, die dem Laut seinen š-ähnlichen Charakter verleihen hilft (vgl. 386).

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/153&oldid=- (Version vom 3.6.2022)