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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

Vorwort. XI


grösseren Werken von Vietor und‚ Jespersen, bibliographische Nachweisungen mit kurzen kritischen Bemerkungen auch bei Breymann.

Meine Thätigkeit hat sich also auch bei der fünften Auflage im Wesentlichen wieder darauf beschränken müssen, im Einzelnen auszumerzen, was ich als irrig oder unzweckmässig erkannt zu haben glaubte, einigen Partien einen wie ich hoffe präciseren und klareren Ausdruck zu geben und einige neue Beobachtungen einzuschalten. Dass ich andererseits da, wo ich durch erhobene Einwände nicht von der Unrichtigkeit meiner Anschauungen überzeugt worden war, diese Anschauungen nochmals zum Ausdruck gebracht habe, wird man mir hoffentlich auch diesmal nicht als besondere Verstocktheit auslegen.

In den letzten Jahren ist das Schlagwort »Experimentalphonetik«  zu einer neuen Macht geworden. Ich habe mich diesem neuen Zweig der phonetischen Disciplin gegenüber auch in dieser fünften Auflage wieder im Wesentlichen abwartend verhalten müssen, schon aus dem Grunde, weil ich eigene Controlexperimente nicht habe anstellen können. Auch bekenne ich, dass ich den Enthusiasmus nicht ganz theile, mit dem die Experimentalphonetik auch von philologischer Seite begrüsst worden ist. Zwar bezweifle ich nicht, dass die vervollkommneten graphischen Apparate der Neuzeit im Wesentlichen das richtig wiedergeben was in sie hineingesprochen wird, wohl aber bezweifle ich auf Grund langjähriger Erfahrung im phonetischen Unterricht, dass es ohne schwerste Selbstzucht jemandem gelinge, in einen Apparat dasjenige hineinzusprechen oder mit einem Messapparat im Sprachorgan dasjenige hervorzubringen was er sonst unter normalen Bedingungen spricht. Ich bin also vor der Hand geneigt zu glauben, dass die Abweichungen von der Sprechnorm die durch die psychische Befangenheit vor dem Apparate entstehen im Durchschnitt mindestens ebenso häufig und ebenso gross sein werden, als die Fehler die einem gut geschulten Phonetiker bei der Beobachtung naiver Sprecher

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite XI. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/15&oldid=- (Version vom 23.5.2022)