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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

321. Die Liquidae:; 2. Die l-Laute. 322. Die Nasale. 125


gewöhnlichen Weise, auch so bilden, dass man die Zungenspitze an den Gaumen andrückt, nur muss dann die Zunge ziemlich stark verschmälert werden. Verbreitert man sie in dieser Stellung allmählich bei tönender Stimme, so hört man, wie der Vocallaut immer mehr verschwindet und dafür der specifische l-Klang immer klarer hervortritt. Auf diesem Verhältniss beruhen grossentheils die Berührungen zwischen l-Lauten und Vocalen.

321. Bei dem cerebralen l kommen oft Berührungen mit dem cerebralen r vor, indem der centrale Verschluss des Mundcanals gelockert, aber die seitliche Einziehung der Zunge wie bei den l-Lauten beibehalten wird. Dieser Art ist das sog. ‘dicke’ l des Ostnorwegischen und Schwedischen, dessen Bildung Storm² S. 42 so beschreibt: “Die Zungenspitze wird gegen den mittleren Gaumen, ohne ihn zu berühren, zurückgezogen und dann plötzlich, mit einem Schlage den Vordergaumen entlang wieder in ihre normale Lage versetzt. Dabei wird meistens im letzten Momente der Vordergaumen von der Zungenspitze flüchtig berührt, aber dies ist unwesentlich; wird die Berührung energischer, so entsteht (cerebrales) ṛḍ. Hierdurch entstehen verschiedene Lautnüancen dicht nach einander, namentlich lautet im ersten Moment mehr ein spirantisches cerebrales r, im nächsten ein cerebrales l, das bisweilen etwas von d hat. Diese Laute, die eigentlich nach einander folgen, verschmelzen dem Gehör zu einem ein- zigen gemischten Laut, der auf uns (Norweger) mehr den Eindruck von l macht, auf die Ausländer aber mehr den von r... Auch ist dieser Laut verhältnissmässig momentan und lässt sich nicht verlängern oder verdoppeln.’ Einen andern, aber analogen Mittellaut zwischen ungerolltem (alveolarem) r und l (bei dem der Anschlag an den Vordergaumen oder die Alveolen fehlt) habe ich von einem Papua von der Insel Pentecoste (NeuHebriden) und einem Kretenser gehört (vgl. auch Ellis IV, 1133 und Sweet S.85 über das japan. r), endlich einen dem norwegischen dicken l sonst ganz genau entsprechenden, speciell auch mit umgeknickter Zungenspitze, nur viel weiter nach vorn, von den Alveolen abwärts, gebildeten Laut in der Sprache der Somali (wo er aus einem ähnlich articulirten d hervorgeht, und mit diesem wechselt).

Cap. 13. Die Nasale.

322. Der specifische Nasalklang wird, wie wir oben S.52 ft. gesehen haben, der Stimme dadurch mitgetheilt, dass zu einem mehr oder weniger grossen Theile der Mundhöhle die Nasenhöhle als Resonanzraum hinzutritt. Die einzelnen Species der Nasale aber beruhen auf der Verschiedenheit der Orte, an denen der Mundraum nach aussen hin abgesperrt wird. So erhalten wir wieder die Hauptgruppen der labialen (m), dentalen (n, mit allen den Unterabtheilungen die wir 154 ff. kennen gelernt haben), palatalen (ń) und velaren () Nasale. Cere- brale finden sich z.B. im Sanskrit, den neuindischen Sprachen und im Schwedischen (für rn), palatales ń erscheint im span. ñ

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 125. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/145&oldid=- (Version vom 31.5.2022)