Seite:Eduard Sievers - Grundzüge der Phonetik - 1901.djvu/144

Diese Seite wurde noch nicht korrekturgelesen. Allgemeine Hinweise dazu findest du auf dieser Seite.
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

124 316—320. Die Liquidae: 2. Die l-Laute.


häufigen Uebergänge des l in u, o (als velare Vocale; übrigens spricht auch das armen. ᵹ² für griech. λ, z. B. in pavᵹos = Παῦλος für eine solche Articulation). Ich kann in dieser Frage kein bestimmtes Urtheil abgeben, neige mich aber bezüglich des slavischen harten l der Auffassung Storm’s zu; das gäl. l in laogh (gesprochen lᴀ¹), welches Bell als Beispiel des backdivided l aufstellt, habe ich nicht von Eingeborenen gehört.

316. Zu diesen Unterschieden gesellen sich dann noch die durch die verschiedenen Lippenstellungen bedingten Abweichungen: das dunkle l' wird durch Rundung der Lippen noch dumpfer, das helle l durch Zurückziehen derselben noch heller u.s.w. Die Art des Verschlusses ist hierbei überall ziemlich unwesentlich. Doch begreift man leicht, dass aus Bequemlichkeitsrücksichten ein cerebrales l vorwiegend mit dunkler, ein dorsales, bei dem der Zungenrücken schon ziemlich gehoben ist, vorwiegend mit heller Klangfarbe gebildet wird. Das palatale l ist selbstverständlich stets hell.

317. Spirantische l entstehen leicht bei stärkerer Engenbildung an der Articulationsstelle. Stimmlose Z sind namentlich im Auslaut und in der Nachbarschaft stimmloser Geräuschlaute häufig. Das welsche cy und isländische hl sind ebenfalls einfach stimmlose l mit deutlichem Reibungsgeräusch. Ohne solches wird dagegen z. B. das stimmlose engl. ! vor und nach Stimmlosen wie in flat, play, clay, slow oder help, felt u. dgl. gebildet. Die Stärke des Reibungsgeräusches der spirantischen Formen kann natürlich wieder mannigfach abgestuft sein, je nach dem Verhältniss der Grösse der Ausflussöffnung und der Stärke der Exspiration.

318. Nasalirte l sind leicht zu bilden und kommen öfter in nasalirenden Sprachen vor (im Sanskrit beim Zusammentreffen von Nasal + l: yal̐lokam, mahāl̐lunāti für yam lokam, mahān lunāti, Hoffory, Kuhn’s Zeitschr. XXIII, 550).

319. Wir haben beim l wegen der Beweglichkeit des Zungenkörpers wie bei den Vocalen eigentlich eine ganze Scala von Lauten. Ein wesentlicher Unterschied beider Lautgruppen liegt aber darin, dass beim l weit weniger Stufen zu gegensätzlicher Geltung entwickelt sind. In der Regel werden nämlich vom l höchstens zwei Stufen, helles und dunkles l, unterschieden. Auch zwischen cerebralem und nicht-cerebralem l hat sich nur in wenigen Sprachen, wie z. B. im ältesten Sanskrit oder im Schwedischen, ein Gegensatz herausgebildet; noch weniger pflegt man sich des Unterschieds der nicht-cerebralen Species bewusst zu werden,

320. Der specifische l-Klang ist bedingt durch einen gewissen Grad der Enge der Ausflussöffnungen. Man kann alle Vocale, statt in der

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 124. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/144&oldid=- (Version vom 31.5.2022)