Seite:Eduard Sievers - Grundzüge der Phonetik - 1901.djvu/142

Diese Seite wurde noch nicht korrekturgelesen. Allgemeine Hinweise dazu findest du auf dieser Seite.
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

122 310—312. Die Liquidae: 1, f. Das Lippen-r. 2. Die l-Laute.


übrigens zu beachten, dass da, wo knarrender Vocal für Vocal+r steht, das r oft durch eine mehr oder weniger starke velare Einschnürung markirt wird; dadurch wird der Rest des Vocals gedämpft und so wegen seiner geringeren Schallfülle (518) als Consonant gegenüber dem als sonantisch empfundenen Eingange gefühlt.

f. Das Lippen-r.

310. Auch mit den Lippen kann man einen Zitterlaut erzeugen. Die Lippen müssen dabei ganz locker auf einander gelegt und vorgeschoben werden. Man bildet diesen Laut, in Deutschland wenigstens, stimmlos oft beim tiefen Ausathmen bei grosser Hitze als eine Art Interjection, die Erschöpfung andeutet. Kürzer herausgestossenes pr (stimmlos) und dr dient als Interjection des Abscheus und der Verachtung, lang gedehntes br findet sich oft bei Kutschern, wenn sie ihren Pferden Halt gebieten (Brücke² 49) neben br mit alveolarem oder uvularem r. Als eigentlicher Sprachlaut ist das Lippen-r selten. Kempelen beobachtete gelegentliche Bildung desselben als ‘Sprachfehler’ einzelner Individuen (S. 331), nach einer Angabe von Forster bei Chladni S. 213 soll es in der Sprache einer Insel in der Nähe von Neuguinea vorkommen. In den finnischen Idiomen findet es sich nach Genetz, Einführ. S. 15 in einigen Interjectionen und daraus abgeleiteten Wörtern, wie pruu, prukottelen.

Nasalirte r.

311. Nasalirte r, namentlich nicht-gerollte Arten, sind leicht zu bilden, und kommen oft bei Individuen vor, welche die Neigung haben zu nasaliren; sonst scheinen sie als besondere Sprachlaute in lebenden Sprachen wenigstens noch nicht nachgewiesen zu sein.

2. Die l-Laute.

312. Das Gemeinsame der l-Laute ist das, dass wie bei d, t die Zungenspitze die Mundhöhle in ihrer Mittellinie nach vorn zu absperrt, dagegen die mittlere Zunge sich seitlich von den hintern Backenzähnen abhebt und so zwei zur Mittellinie symmetrisch gelegene Ausflussöffnungen für den Schall bildet (daher der englische Name divided für diese Art der Articulation). Häufig aber wird nur &ine solche Ausflussöffnung hergestellt;

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 122. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/142&oldid=- (Version vom 31.5.2022)