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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

120 306-309. Die Liquidae: 1, d. Uvulares r. e. Kehlkopf-r.


Die Substitutionszitterlaute.

306. An Stelle der den ältesten indogermanischen Sprachen wahrscheinlich allein eigenen r-Laute der Zungenspitze sind in den moderneren Idiomen vielfach Laute ähnlichen Klanges, doch verschiedener Bildungsweise getreten. Indem man nämlich das Rollen als das Charakteristische der deshalb als Zitterlaute bezeichneten r empfand, substituirte man — natürlich unbewusst — statt des schwingenden Zungensaums andere ähnlicher Schwingungen fähige Theile des Sprachorgans, und gewann auf diese Weise eine Reihe neuer Laute, die wir im Gegensatz zu den älteren Zungenspitzenlauten als Substitutionszitterlaute bezeichnen können. Dieselben sind:

d. Uvulares r.

307. Das sog. gutturale oder besser uvulare r wird durch Schwingungen des Zäpfchens gebildet. Dies geschieht in der Weise, dass man den Zungenrücken zum weichen Gaumen emporhebt, wie beim velaren ch, jedoch in der Mittellinie der Zunge eine Rinne bildet, in der das Zäpfchen frei nach vorn und rückwärts schwingen kann. Je tiefer diese Rinne ist, um so leichter ist das r von auffallenden Reibungsgeräuschen freizuhalten. In den lebenden Sprachen wird aber die Rinnenbildung vielfach vernachlässigt, so dass das r einen sehr kratzenden Charakter bekommt und selbst vollständig in die stimmhafte velare Spirans übergeht; daher denn auch die bis auf Brücke, Wiener Sitz.-Ber.II,202, gangbare Vorstellung, das ‘Gaumen-r’ werde durch Zittern des weichen Gaumens erzeugt; richtig ist, dass bei energischer Aussprache des kratzenden r ohne genügende Rinnenbildung der Rand des Gaumensegels etwas in flatternde Bewegung geräth.

308. Im Auslaut und neben stimmlosen Geräuschlauten wird auch das uvulare r sehr häufig stimmlos gebildet und wechselt demgemäss auch gelegentlich mit der stimmlosen velaren Spirans x.

e. Das Kehlkopf-r.

309. Dieser Laut entsteht nach Brücke, Sitz.-Ber. II, 207. Grundz. 13f. (vgl. auch Merkel, Schmidt’s Jahrbb. C, 86. Donders, Phys. 20. Ellis IV, 1099), wenn man zu immer tieferen Tönen herabsteigend die untere Grenze seines Stimmumfangs

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 120. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/140&oldid=- (Version vom 30.5.2022)