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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

298—301. Die Liquidae: 1, a. Cerebrales r. b. Alveolare r. 117


auch im amerikanischen Englisch. Von den im Deutschen üblichen r-Arten unterscheidet sie sich besonders durch den gänzlichen Mangel des Rollens. Ein stimmloses gerolltes Cerebral-r habe ich in der Sprache der Somali beobachtet.

298. Der vordere Zungensaum ist bei der Bildung dieses r rings herum aufgebogen, so dass die Zunge löffelartig ausgehöhlt erscheint, und dem harten Gaumen hinter den Alveolen der Öberzähne genähert. In dieser Stellung verharrt der Zungensaum, wenigstens bei den angeführten germanischen Lauten, während der ganzen Dauer des r ohne Schwingungen, einerlei ob dasselbe als Consonant, wie etwa in der erwähnten dialektischen Aussprache des Englischen bei Wörtern wie row, morrow, amerikanisch hard, far, oder als Sonant gebraucht wird, was z. B. in Amerika nicht selten der Fall ist bei Wörtern wie sir, bird, heard (gesprochen sṛ, bṛd, hṛd; auch engl. pretty lautet oft pṛte¹, doch vgl. auch 495).

b. Alveolare r.

299. Die Bildung des cerebralen r erfordert eine ziemlich starke Zurückbiegung der Zungenspitze, damit der Zungensaum hinter den Alveolen die Enge bilde. Durch einfache Hebung der Vorderzunge aus der Ruhelage gelangt man zu einer Engenbildung zwischen dem Zungenrand und den Alveolen. Dies ist die Stellung aus der im Deutschen und den meisten andern Sprachen in der Regel die sog. alveolaren r articulirt werden.

300. Der Spielraum der alveolaren r ist ziemlich bedeutend. Er erstreckt sich von der Hinterfläche der Alveolen bis an deren vorderste Grenze am Rande der Oberzähne. Man kann danach ein vorderes, mittleres und hinteres Alveolar-r unterscheiden (Sweet’s outer r, medium r und inner r; Hoffory nennt das vordere alveolar, das mittlere und hintere gingival, Kuhn’s Zeitschr. XXIII, 531 f.).

301. In diesem Gebiete stehen sich nun zunächst gerollte und nicht gerollte Varietäten gegenüber. Das Rollen (trilling) entsteht dadurch, dass der dünn emporgewölbte Saum der Zunge durch den Exspirationsstrom nach aussen geworfen wird, um im nächsten Moment vermöge seiner Elasticität wieder in seine alte Lage zurückzukehren. Die Anzahl der so gegebenen Schläge ist im Einzelnen verschieden. Charakteristisch ist für den Klang dieser r, dass bei jedem Zungenschlag der Klang der Stimme geschwächt wird, da bei jedem Schlage eine

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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 117. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/137&oldid=- (Version vom 30.5.2022)