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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

112 284. Stimmlose Vocale und A.


Schwierigkeit zu bilden; sie gelingen am leichtesten bei h zwischen Vocalen, wenn man mit möglichst tiefer, brummender Stimme spricht, lassen sich dann aber, wenn man die Articulationsweise einmal richtig erfasst hat, auch bei höherer Stimmlage und glatterer Stimme erzeugen. Dem Klange nach sind sie von den stimmlosen h deutlich zu unterscheiden.

284. Vermuthlich sind alle die verschiedenen Auffassungen der hier beschriebenen Sachlage bis zu einem gewissen Grade berechtigt, nur jede in ihrer Art und innerhalb bestimmter Grenzen. Zunächst ist es sicher, dass es so gut ‘stimmlose h’ wie ‘stimmhafte h’ gibt (um zunächst an dieser Terminologie festzuhalten). Völlige Stimmlosigkeit ist z.B. für das Deutsche bei den anlautenden h und den h hinter Stimmlosen auch durch die experimentellen Untersuchungen von E. A. Meyer (285) wieder festgestellt worden. Ebenso haben diese Untersuchungen wohl festgestellt, dass z. B. beim gewöhnlichen h des Deutschen zwischen Vocalen die Stimmritze nicht (wie beim anlautenden h und dem h hinter Stimmlosen) geöffnet ist, sondern dass die Stimmbänder hier in einer lockereren Schlussstellung verharren, welche schwingungsähnliche Bewegungen der Stimmbänder ermöglicht und thatsächlich hervorruft (vgl. dazu auch schon die Bemerkungen von Jespersen, Fonetik S. 317 f.). Dagegen ist noch keineswegs durch jene Untersuchungen erwiesen, dass diese Bewegungen echte Schallschwingungen sind. Vielmehr weist die Grösse und Gestalt der von Meyer mitgetheilten Schwingungscurven deutlich darauf hin, dass es sich mindestens zum Theil nur um eine Art von Schlotterbewegung der stark entspannten Stimmbänder handelt, die physikalisch nicht geeignet ist, einen musikalischen Klang hervorzurufen. Es beruht daher sichtlich auf falscher Ausdeutung der betreffenden Ourven, wenn Meyer nun alle z. B. deutschen h für ‘stimmhaft’ erklärt, welche solche Schlottercurven aufweisen. Dieser Name ist vielmehr strengstens für diejenigen h zu reserviren, welche wirkliche und damit auch für das geschulte Ohr wahrnehmbare Schallschwingungen besitzen. Dass es im Deutschen neben echt stimmlosen h (auch zwischen Vocalen) auch gelegentlich solche wirklich stimmhafte h gebe, braucht deshalb nicht geleugnet zu werden (vgl. 283 Schluss).

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 112. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/132&oldid=- (Version vom 28.5.2022)