Seite:Eduard Sievers - Grundzüge der Phonetik - 1901.djvu/131

Diese Seite wurde noch nicht korrekturgelesen. Allgemeine Hinweise dazu findest du auf dieser Seite.
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

282. 283. Stimmlose Vocale und A. 111


Vollvocal e gegen guətᵊ ‘gute’ mit Murmelvocal; jedenfalls ist die Stimme im zweiten Falle weit schwächer als im ersten. Ein ähnliches Verhältniss besteht z. B. zwischen engl. father, gesprochen faðə und nhd. hatte, gesprochen ʿatᵊ.

Stimmlose Vocale und h.

282. Führt man einen nicht tönenden (stimmlosen) Luftstrom durch die Mundstellungen beliebiger Vocale, so erzeugt er an den Wänden des Mundraums schwache Anfallgeräusche (130), die man systematisch als stimmlose Vocale zu bezeichnen hat (vgl. 198 f.). Solcher stimmloser Vocale kann es an sich ebenso viele geben als der gewöhnlichen stimmhaften, gemurmelten, geflüsterten u. s. w.

283. Dass alle diese stimmlosen Vocale in den herkömmlichen Alphabeten durch ein gemeinsames ‘Hauch’- Zeichen wie h oder ʿ wiedergegeben werden, hat zuerst Whitney (Oriental and Linguistic Studies II, 268) ausgesprochen und nachher Hoffory (Kuhn’s Zeitschr. XXIII, 554 ff.) weiter ausgeführt. Nach dieser Auffassung würde also z. B. ha die Lautfolge von stimmlosem a + stimmhaftem a darstellen (vorausgesetzt dass die a-Stellung schon vom Anfang des h an eingesetzt ist, was nicht immer der Fall ist). Früher pflegte man dagegen die h als selbständige und zwar stimmlose ‘Hauche’ oder entsprechende laryngale Reibelaute (178) zu fassen, und zu sagen, in ha habe dieser Hauch- oder Reibelaut die modificirende Mundstellung des a bez. a-Resonanz, in he die e-Resonanz u.s. w. (vgl. 469 ff.). Eine weitere Complication erfährt die Sachlage dadurch, dass es neben den stimmlosen h auch stimmhafte h gibt, genauer gesagt halb- oder hauchstimmige h (vgl. 172, 5. 175). Solche stimmhafte h sind zuerst von den alten indischen Grammatikern im Sanskrit beobachtet worden, welche sowohl die gewöhnlichen h dieser Sprache als die Hauche der stimmhaften Aspiraten bh, dh, gh (436 f.) für stimmhaft erklärten. Deutlich stimmhaft sind auch die ‘Hauche’ der in 436. 442 erwähnten armenischen Aspiraten im Dialekt von Aštarak. Auch einigen slavischen Sprachen, namentlich dem Čechischen, sind frühzeitig stimmhafte h zugeschrieben worden, ohne dass jedoch immer mit Sicherheit zu entscheiden wäre, ob damit ein echtes h und nicht vielmehr ein sehr schwacher (überweit gebildeter, 499 f.) stimmhafter velarer Reibelaut gemeint war (Geschichtliches hierzu s. bei E. A. Meyer, Stimmhaftes h, Marburg 1900). Bei einiger Uebung sind solche stimmhafte h ohne grosse

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/131&oldid=- (Version vom 28.5.2022)