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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

106 273. Die Vocale: 3. Bell’s System.


(ɔ¹, low-back-narrow-round) und vom ungespannten (‘offenen’) kurzen ŭ z.B. in deutschem und, engl. full (, high-back-wide-round) zu deutschem ungespanntem o in Stock (, mid-back-wide-round) und dem engl. ungespannten kurzen o in not (ɔ², low-back-wide-round).

273. Schwieriger ist für den Deutschen die Reihe der nicht gerundeten Velarvocale, d.h. des a und seiner nächsten Verwandtschaft. Hier ist das (mid-back-wide) das sog. reine a des Italienischen und der deutschen Bühnenaussprache (nicht aber das franz. kurze {{lang|fr|a in madame, patte, welches, wie Storm zeigt, etwas palatalisirt ist, Storm bezeichnet es als ȧ); von ihm ist das englische u in but (, mid-back-narrow) nur durch stärkere Wölbung der Hinterzunge nach dem Gaumensegel zu unterschieden, die sich aus der stärkeren Spannung der Zunge ergibt. Storm betont mit Recht nachdrücklich, dass dieser Laut mit dem deutschen ö gar nichts zu thun hat, obschon er ein deutsches, skandinavisches oder französisches Ohr daran gemahnt (namentlich müssen die Lippen durchaus geöffnet gehalten werden); vielmehr geht das u () im Englischen selbst nahezu in a (d. h. ) über. Den Laut ᴀ¹ findet Bell in dem gael. Laogh, das ich nicht von Eingebornen gehört habe, und Sweet in dem armen. (Lepsius), z.B. in dem Artikel e̥z (dieser letztere Laut klingt uns auch sehr ö-ähnlich). In Deutschland scheint sich das a nur in Diphthongen zu finden. So bildet ein ᴀ¹ oder ‘offenes’ ᴀ² das Anfangsglied des Diphthongs au (= mhd. î) wie in sei, weil, Zeit in vielen schwäbischen Mundarten, ein ‘offenes’ ᴀ² das Endglied des Diphthongs au, wie in Haus in thüringisch-sächsischen Dialekten, u.s.w. Der Laut ᴀ² erscheint nach Bell auch in der Cockney-Aussprache des langen o, z. B. in no gesprochen nᴀ²ȯ¹, nach Sweet auch vielleicht manchmal im diphthongischen i, z. B. dem Pronomen I, gesprochen ᴀ²ï² (gewöhnlicher ė²ï²; soweit ich urtheilen kann, ist ᴀ² der regelrechte Anfangslaut des englischen diphthongischen i in der Irish brogue). Das ɐ¹ erscheint nach Sweet häufig in der schottischen und provinciell auch in der englischen Aussprache in but, cut u. s. w.; Sweet findet es auch als gewöhnlichen Laut des kurzen a im ‘Mittel- und Süddeutschen’(?), z.B. in Kaffeekanne. Das ɐ² ist nach Sweet das schottische a in man, hat und das schwedische lange a in fader, fara, nach Storm auch das süd(ost)deutsche etwas dumpfe a in Vater u.s. w., auch das franz. â in lâche, pâte.

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/126&oldid=- (Version vom 28.5.2022)