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bedeutenden wie in den nebensächlichen Gegebenheiten fügen sich seine Züge als in seiner Größe und Tragik überragendes Paneel in das Lebensbild der Steinschen Persönlichkeit.

Die Motivierung der Entstehung gerade dieses Werkes zu diesem Zeitpunkt. Zwei Motive lassen sich hierfür anführen: ein äußeres, die 400jährige Jubiläumsfeier der Geburt des hl. Johannes vom Kreuz, dem Begründer des Ordens der Unbeschuhten Karmeliten und dem geistlichen Vater der Unbeschuhten Karmelitinnen; ein inneres, die menschlich-geistliche Situation, in der sich E. Stein durch die nationalsozialistischen Ideen und Maßnahmen und durch die Kriegsereignisse befand.

Im Lichte dieser zwei Motive erscheinen die Wahl des Themas und die Konzeption des Werkes als letzte und höchste geistige Hingabe an die Idee des Ordens; zugleich, in Sublimierung alles menschlichen Leidens, als die endgültige Abkehr vom Leben und die Erhebung über das Endliche. In stufenweisem inneren Aufstieg überwindet E. Stein die Lebensverbundenheit der eigenen Natur, um den Schwerpunkt ihres Seins jenseits der Sphäre irdischer Gewalt und irdischen Wirkens zu verlegen. Die serene Haltung, die inhaltlich und formal aus den im letzten Schaffensstadium geschriebenen Abschnitten spricht, verrät die jenseitige Festigung, damit diesseitige Unantastbarkeit ihrer geistigen Person. Zugleich wird offenbar, daß sie nicht aus Resignation oder Lebensmüdigkeit die Beziehung zur Welt abbricht, sondern aus religiöser Überzeugung und mit dem Einsatz gereifter Lebenskraft. Ihre Seele als Lebensmitte und Ort der mystischen Vereinigung[1] strebt nach der Verankerung in Gott als dem Prinzip und höchsten Ziel alles Lebens.


E. Steins geistlicher Aufstieg. Die Betrachtung der folgenden Zusammenhänge kann diese Frage erhellen:

Es werden Probleme aufgeworfen, die eine Erweiterung der ursprünglichen Zielstellung bewirken; durch ihre Behandlung baut die Autorin das Gedankengebäude des hl. Vaters aus und fort.

Die Analyse der Nacht, des Aufstiegs, der Vereinigung usw. ist nicht logisch-deduktiv, sondern einfühlend-induktiv durchgeführt.

Das Lebensbild E. Steins, insbesondere das des letzten Jahrzehntes, steht im Zeichen der Kreuzeswissenschaft und liefert das Vorbild für deren, nach Steinscher Interpretation grundlegende Idee: Einheit von Lehre und Leben.


  1. Siehe Kreuzeswissenschaft, Teil II, § 2 (3b) und Endliches und Ewiges Sein, Kap. VII.
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Edith Stein: Kreuzeswissenschaft. Editions Nauwelaerts, Louvain 1954, Seite 295. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Kreuzeswissenschaft.pdf/295&oldid=- (Version vom 9.3.2019)