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Kreuzesnachfolge

P. Prior Don Fernando, sich darum zu kümmern, er selbst wolle dafür Sorge tragen. Man hörte ihn oft klagen über die Kosten, die die Verpflegung des Heiligen kostete, und den Verbrauch an Lebensmitteln. P. Diego von der Empfängnis, Prior von la Peñuela, schickte daraufhin sechs Scheffel Weizen für die Kommunität und sechs Hühner für den Kranken nach Ubeda. P. Bernhard von der Jungfrau, der Krankenwärter, bekam täglich Proben von der Abneigung des Priors gegen den Patienten. Er bestimmte, daß ihn niemand mehr ohne besondere Erlaubnis besuchen dürfte und verbot schließlich P. Bernhard sogar, ihm beizustehen, weil er meinte, daß er zuviel täte. Der Infirmar erstattete nun sofort Bericht an den Provinzial von Andalusien, den greisen P. Antonius von Jesus, den alten Gefährten aus den Tagen von Durvelo[1]. Er eilte umgehend herbei, um Abhilfe zu schaffen, und blieb vier bis sechs Tage in Ubeda. Dem Prior gab er einen scharfen Verweis, allen andern gab er Befehl, den Kranken zu besuchen und ihm beizustehen, soviel sie nur könnten. P. Bernhard wurde wieder in sein Amt eingesetzt mit dem Auftrag, es mit der größten Liebe zu versehen; wenn der Prior ihm das Nötige verweigerte, sollte er sich sofort an den Provinzial wenden und inzwischen Geld leihen. Bei all diesen Gelegenheiten hörte man von Johannes nie ein Wort der Klage über den feindseligen Prior: er ertrug alles „mit der Geduld eines Heiligen“[2].

P. Antonius war bei der ersten Operation zugegen. Als er dem Patienten zusprechen wollte, entschuldigte sich Johannes, daß er nicht antworten könne; er werde verzehrt von Schmerzen. Und doch waren die körperlichen Schmerzen noch nicht auf der Höhe. Es bildeten sich neue Abszesse an den Lenden und Schultern. Vor einem zweiten Eingriff entschuldigte sich der Arzt. „Das tut nichts, wenn es am Platz ist“, sagte der neue Job. Er drängte dazu, sofort ans Werk zu gehen. Alle Schmerzen und Leiden waren ihm „wohltätige Gedanken Gottes“. In den Briefen, die er noch vom Krankenbett aus schrieb – sie sind uns nicht erhalten, wir wissen nur durch Zeugenberichte davon –, sprach er von der Freude, für den Herrn leiden zu dürfen. Die körperlichen Qualen hinderten seine Versenkung ins Gebet nicht. Er bat seinen jungen Krankenpfleger Lucas vom hl. Geist manchmal, ihn allein zu lassen – „nicht um zu schlafen“, fügt der Berichterstatter hinzu, „sondern um sich glühender der Beschauung himmlischer Dinge hinzugeben“. Nachdem


  1. P. Antonius, der sich einst so edelmütig als erster für die Reform zur Verfügung gestellt hatte, wurde die große Gnade zuteil, der hl. Mutter und dem hl. Vater Johannes im Tode beistehen zu dürfen.
  2. P. Bruno a.a.O. S. 353 ff.
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Edith Stein: Kreuzeswissenschaft. Editions Nauwelaerts, Louvain 1954, Seite 275. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Kreuzeswissenschaft.pdf/275&oldid=- (Version vom 9.3.2019)