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Kreuzesnachfolge

Manchmal begibt er sich auch in eine Einsiedelei und verweilt da wie verzückt in Gott. Der Zeuge erwähnt auch, daß er sich noch bisweilen mit dem Schreiben geistlicher Bücher beschäftigt habe. (Was damit gemeint ist, wissen wir nicht. Die bekannten großen Traktate waren schon früher abgefaßt.) Die Felsen waren ihm eine liebe Gesellschaft. „Wundert euch nicht, wenn ich mit ihnen umgehe“, sagt er, „ich habe dann weniger zu beichten, als wenn ich mit Menschen verkehre“[1]. Was aus der Welt zu ihm drang, war wohl geeignet, Sammlung und Gleichmut zu zerstören. P. Johannes Evangelista berichtete ihm brieflich von den Übergriffen, die sich P. Diego Evangelista in den Karmelitinnenklöstern Andalusiens erlaubte, um von den Schwestern belastende Aussagen über den Heiligen zu erpressen. (Damals mußte Schwester Augustina vom hl. Joseph in Granada eine große Sammlung von Briefen des Heiligen – die Schwestern schätzten sie „wie die Briefe des hl. Paulus“ – und Hefte mit Aufzeichnungen nach seinen geistlichen Vorträgen und Gesprächen verbrennen, um sie nicht in Diegos Hände fallen zu lassen.) Nicolas Doria erklärte auf die Klagen, die bei ihm einliefen, der Visitator habe keinen Auftrag gehabt, so vorzugehen, aber er bestrafte ihn nicht. Er war sein vertrauter Freund und blieb es. Johannes hatte diesen Diego früher scharf zurechtgewiesen, weil er sich monatelang außerhalb seines Klosters aufhielt um zu predigen. Nun wollte er die günstige Zeit ausnützen, um sich zu rächen. Einige Monate später – nach dem Tode des Heiligen – erklärte er: „Wenn er nicht gestorben wäre, hätte man ihm den Habit genommen und ihn aus dem Orden ausgestoßen“. Einige treue Söhne des Vaters der Reform hatten das gefürchtet, Johannes von der hl. Anna hatte es ihm geschrieben. Er erhielt die Antwort: „.... Mein Sohn, machen Sie sich darum keine Sorgen; den Habit kann man jemandem nur nehmen, wenn er es verweigert, sich zu bessern oder zu gehorchen; nun, ich für meinen Teil bin durchaus bereit, alle meine Verfehlungen gut zu machen und zu gehorchen, welche Buße man mir auch auferlegen mag“. Und an Johannes Evangelista schrieb er: „Meine Seele ist weit davon entfernt, unter all dem zu leiden; im Gegenteil, sie entnimmt daraus eine Unterweisung in der Liebe zu Gott und dem Nächsten....“[2]

So bewahrte er sich den Herzensfrieden ungestört „in dieser heiligen Einsamkeit“; und als ihn das Fieber zwang, sie zu verlassen, geschah es „in der Absicht, bald hierher zurückzukommen“[3]. Wie


  1. P. Bruno, a.a.O. S. 344.
  2. P. Bruno, a.a.O. S. 347 f.
  3. Brief an Dona Ana de Peñalosa vom 21. IX. 1591, Obras IV 288 ff.
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Edith Stein: Kreuzeswissenschaft. Editions Nauwelaerts, Louvain 1954, Seite 272. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Kreuzeswissenschaft.pdf/272&oldid=- (Version vom 9.3.2019)