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Kreuzesnachfolge

ließe durch Schande, wie Er mich der Verführung aussetzte durch den guten Namen, den ich selbst bei meinen Feinden hatte. Herr, geruhe das Haupt Deines unwürdigen Dieners mit dem Martyrium zu krönen....“[1]

Auf dem Kapitel zu Madrid wurde ihm die Einöde von la Peñuela als Aufenthaltsort zugewiesen. Das bedeutete für ihn keine Strafe. Dort hoffte er ja die ersehnte Einsamkeit zu finden. Immerhin darf man nicht denken, daß die Auseinandersetzungen und Beschlüsse von Madrid ihn nicht im Innersten bewegt und getroffen hätten. Auf dem Wege von Madrid nach la Peñuela kam er eines Morgens um 4 Uhr mit P. Elias vom hl. Martin in Toledo an. Beide zelebrierten und schlossen sich dann miteinander ein. Ohne etwas zu genießen, blieben sie zusammen bis tief in die Nacht. Dann erklärte Johannes vor allen, er gehe sehr getröstet fort und sei kraft der Gnade, die Gott ihm an diesem Tage gewährt habe, bereit, jedes beliebige Leiden zu ertragen[2]. War es nicht eine Gethsemani-Nacht, in der ihm der Herr einen Trostengel sandte? Alle harten Bußwerke seines Lebens, alle Verfolgungen, auch die Kerkerhaft in Toledo und die unfreundliche Behandlung durch den Prior von Ubeda, all das – so meint P. Silverio[3] – sind kaum mehr als Schattenbilder von Leid im Vergleich zu dem, das ihm die Einrichtung der berühmten consulta bereitete. Menschlich gesehen lag sein Lebenswerk zertrümmert hinter ihm, als er sich auf den Weg nach la Peñuela begab – so wie beim Heiland, als Er sich binden und vom Ölberg nach Jerusalem führen ließ.

Die Bergeinsamkeit von la Peñuela, das ist noch eine Atempause stillen Gebets vor dem Aufstieg nach Calvaria[4]. Allerdings überläßt man ihn hier nicht ganz sich selbst. Die Mönche sind glücklich, den Vater der Reform bei sich zu haben. Der Prior bittet ihn, die geistliche Leitung aller zu übernehmen. In der Rekreation ist er bei ihnen. Aber man merkt es ihm an, daß er bis zur Stunde der Rekreation beständig im Gebet war. Schon vor Tagesanbruch geht er in den Garten, kniet zwischen den Weiden am Bach nieder und bleibt im Gebet, bis die warme Sonne ihn mahnt, daß es Zeit ist zum hl. Opfer. Nachdem er zelebriert hat, zieht er sich in seine Zelle zurück und widmet dort alle Zeit dem Gebet, wenn nicht Pflichten des gemeinschaftlichen Lebens ihn abrufen.


  1. J. Brouwer, De achtergrond der Spaanse mystiek, Zutphen 1935, S. 217.
  2. P. Bruno, Vie d’Amour, S. 243 f.
  3. Obras I 113 (Preliminares).
  4. Vgl. P. Bruno, Saint Jean, S. 343 ff. und Obras V 112 ff. (Aussage des P. Franciscus vom hl. Hilarion).
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Edith Stein: Kreuzeswissenschaft. Editions Nauwelaerts, Louvain 1954, Seite 271. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Kreuzeswissenschaft.pdf/271&oldid=- (Version vom 9.3.2019)