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Kreuzesnachfolge

seine Briefe vom Kapitel zu Madrid, nachdem er bei allen Wahlen übergangen war. An Mutter Anna von Jesus[1] schrieb er am 6. Juli 1591: „Wenn die Angelegenheiten auch nicht den Ausgang genommen haben, den Sie wünschten, so müssen Sie sich doch trösten und Gott von Herzen danken. Denn Seine Majestät hat es so gefügt, und darum ist es für uns alle das Beste; wir müssen Ihr nur unsern Willen unterwerfen, damit es uns so erscheint, wie es in Wirklichkeit ist: die unangenehmen Dinge scheinen uns schlimm und widerwärtig, wenn sie auch noch so gut und vorteilhaft sind; und diese Sache ist es doch offenbar nicht, weder für mich noch für irgend jemand sonst; denn was mich anlangt, ist sie höchst segensreich: befreit von der Sorge für die Seelen kann ich mich, wenn ich will, durch die Gnade Gottes des Friedens erfreuen, der Einsamkeit und der köstlichen Frucht des Vergessens meiner selbst und aller Dinge. Auch für die übrigen ist es gut...., denn sie werden so frei bleiben von den Fehlern, die sie meiner Armseligkeit wegen begangen hätten....“[2]

Zugleich richtete er an Maria von der Menschwerdung, die Tochter der Mutter Anna, die damals Priorin in Segovia war, die Bitte: „Um meinetwillen, meine Tochter, dürfen Sie sich nicht betrüben, da auch ich nicht betrübt bin. Was mich sehr schmerzt, ist, daß man jemandem die Schuld gibt, der keine hat. Denn diese Dinge kommen nicht von den Menschen, sondern von Gott, der weiß, was für uns gut ist, und sie zu unserm Besten lenkt. Denken Sie nichts anderes, als daß Gott alles gefügt hat. Wo keine Liebe ist, da legen Sie Liebe hinein und Sie werden Liebe daraus schöpfen....“[3]

Der so sprechen konnte, war innerlich dem Gekreuzigten gleichförmig geworden. Es war an der Zeit, daß er es auch äußerlich wurde und den Kreuzestod der Liebe sterben durfte. Nun sollten ihm seine letzten Wünsche erfüllt werden:

„Ich begehre nur, daß der Tod mich finde an einem abgelegenen Ort, fern von allem Umgang mit Menschen, ohne Klosterbrüder, die ich leiten müßte, ohne Freude, die mich trösten könnte, heimgesucht von allen Peinen und Schmerzen. Ich wollte, daß Gott mich prüfte als Dienstknecht, nachdem Er die Zähigkeit meines Charakters sooft erprobt hat in meiner Arbeit; ich wollte, daß Er mich heimsuchte in Krankheit, wie Er mich in Versuchung gebracht hat durch Gesundheit und Kraft; ich wollte, daß Er mich in Versuchung kommen


  1. Es ist dies nicht die berühmte Mitarbeiterin der hl. Mutter, sondern die Stifterin des Karmels von Segovia.
  2. 20 (21). Brief, E. Cr. III 104 f.
  3. 21 (22). Brief, E. Cr. III 105 f.
Empfohlene Zitierweise:
Edith Stein: Kreuzeswissenschaft. Editions Nauwelaerts, Louvain 1954, Seite 270. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Kreuzeswissenschaft.pdf/270&oldid=- (Version vom 9.3.2019)